„Es ist die Systematik, es ist das System”
Auszug aus einem Gespräch mit Anarchist Academy
... L.J.: Unser Anliegen war es, Hip Hop mit radikalen, deutschen Texten zu machen. Radikal im Sinne von an die Wurzel gehend, nicht das plumpe Phrasendreschen. Wir werden teilweise die Slime des Rap genannt, das mag ich nicht so gerne, denn Slime haben, finde ich, teilweise sehr plumpe Parolen.
Babak: Obwohl sich mit den Texten ergeben hat, daß wir sehr viel mit Hardcore-Bands zusammen spielen, sind dann aber auch Hip Hops im Publikum. Das geht ganz gut zusammen.
L.J.: Es ist eigent lich schon erfreulich, wenn verschiedene Leute ein Publikum sein können. Inzwischen haben wir uns aus dem Kopf geschlagen, daß es möglich ist, z.B. die Hip Hop-Szene zu politisieren, so einfach ist das alles nicht, da muß man erstmal respektiert werden, und das ist für uns 'ne schwierige Sache.
Dr. P.: Was meinst Du mit politisieren? Daß die Leute die Texte gut finden? Sich damit auseinandersetzen?
L.J.: Wenn wir genau den Schritt erzielen können, vom „gut finden" zum auseinandersetzen, dann glaube ich, kann auch ein Prozeß der Politisierung eintreten. Das setzt aber auch voraus, daß man uns ernst nimmt, und in der Hip Hop-Szene meinen viele wir seien „einfach radikal" - ganz nett aber ... In der Hip Hop-Szene ist ja `ne Tendenz zum Linksradikalismus vorhanden, aber eben nur 'ne Tendenz, so haben z.B. Advanced Chemistry einen antirassistischen Song gemacht - nicht antifaschistisch! Für uns ist es wichtig, daß wir in unserer politischen Ausdrucksweise und Kritik bleiben. Wenn jemand sagt, „Eure Texte erinnern mich an Ton, Steine, Scherben", dann sind wir darüber glücklich.
dna: Welchen Anspruch habt ihr an eure Musik?
L.J.: Na, oft treten wir sowieso schon vor Gleichgesinnten auf, böse Stimmen sagen, wir ließen uns abfeiern ... Wir denken, daß es trotzdem wichtig ist. Wir bringen damit eigene Kultur hervor und das schafft ja ein Stück Identität.
Babak: Es geht uns darum, Konsequenzen klar zu machen. Wenn du z.B. sagst, du bist bereit, ein AsyIbewerberheim zu schützen, dann mußt du auch bereit, sein Gewalt anzuwenden, sonst kannst du gleich heimgehen.
L.J.: Wir sagen ja nicht: „Geht auf die Straße und knallt alle Faschos ab..." Wir wollen auf keinen Fall Aktionismus fördern, denn Aktionismus ist, glaube ich, das weitverbreitetste negative Syndrom in der autonomen/linksradikalen Szene verbunden mit Alkoholismus und Drogenkonsum.
dna: Warum heißt ihr Anarchist Academy?
L.J.: ... Na das hört sich irre gut an (alle lachen) - Also, „Anarchist" steht mehr oder weniger für das Aufrührerische und „Academy" für's Denken ...
Babak: Das alte System zerstören und etwas Neues wieder aufbauen ...
Lady M.: Wie sieht denn eure politische Praxis aus?
L.J.: Wir arbeiten in und mit Antifa-Gruppen; teilweise in linken Zeitungen ... es geht uns besonders darum ausländische Jugendliche zu politisieren ...
Babak: Das Problem ist, daß wir nicht genügend organisiert sind. Es gibt zwar unter ausländischen Jugendlichen schon das Ding, „mal loszugehen und Skins zu klatschen", das kenne ich ja von mir von früher auch, das reicht aber nicht ...
L.J.: Es fehlt das Bewußtsein. Der erste Schritt ist das Bewußtsein, dann kommt die Organisierung, und schließlich - beides kombiniert - die politische Aktion.
dna: Ihr singt ja teilweise auch auf türkisch und persisch, wie kommt das, und über worüber singst du auf persisch, Babak?
Babak: Ich will einmal den Deutschen zeigen, daß es auch andere Sprachen gibt, die sich so und so anhören. Außerdem, um andere Iraner direkt in unserer Muttersprache anzusprechen. Ich singe kurz über mich und warum ich hier hin, und dann, was meiner Meinung nach unsere Ziele als Ausländer sein sollten: Uns zu organisieren und gegen den Faschismus zu kämpfen.
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Erschienen in arranca! #2
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