Editorial

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Willkommen, bienvenid@s, welcome zur 28. Ausgabe der arranca!. Der erste Satz unserer Hausmitteilung beginnt sonst meist mit „Eigentlich wollten wir ….“ Das war natürlich auch dieses Mal so. Diesmal verraten wir aber zur Abwechslung nicht, was wir eigentlich wollten, sondern was nun tatsächlich auf euch zukommt: nämlich gleich zwei Nummern rund um das Thema Aneignung. Wir möchten damit unter anderem die im Frühjahr gestartete Kampagne Berlin Umsonst, an der FelS beteiligt ist, unterstützen, sprich eine breitere Diskussion um die Frage in Gang setzen, wie wir angesichts der zunehmenden Privatisierung und Kommerzialisierung von öffentlichen Räumen und Gütern, ja sogar von Ideen, politisch handlungsfähig bleiben können. Oder noch offensiver ausgedrückt: welche Praxen wir gegen die aufgezählten Miesheiten entwickeln können. Gleichzeitig haben wir die konkreten Erfahrungen mit Berlin Umsonst in der Redaktion zum Ausgangspunkt unserer Debatten um Aneignung genommen. Während der Planung für den Schwerpunkt merkten wir jedoch schnell, dass sich auch andere politische Zusammenhänge genau mit diesem Thema beschäftigen – so beispielsweise der Arbeitsschwerpunkt Weltwirtschaft (ASWW) der Bundeskoordination Internationalismus (BUKO) in der Vorbereitung auf die nächste, im Juni stattfindende Konferenz in Kassel. An der inhaltlichen Planung der Konferenz sind wir nun auch beteiligt.

Lange Rede kurzer Sinn: die beiden folgenden Ausgaben heißen ganz ungeschminkt Aneignung 1 und Aneignung 2. Die erste, vor euch liegende beginnt mit einem Text des a!-Teams, der für erhitzte Debatten innerhalb der Redaktion und der ganzen Gruppe gesorgt hat, aber ursprünglich nur zwei ganz simpel erscheinende Fragen beantworten sollte: Was ist eigentlich Aneignung und wie kann der Begriff für eine linke politische Praxis produktiv gemacht werden? Unzählige Personen verfassten unzählige Versionen. Monatelang wurde geschrieben, diskutiert, erweitert, verworfen und neu geschrieben. Nach dem Motto „Mut zur Lücke, denn jemand muss den Anfang machen“, haben wir schließlich eine Fassung abgedruckt, die als Annäherung an das Thema zu verstehen ist. Sie basiert auf einer Reflektion unserer eigenen Kampagnen und Projekte der vergangenen Jahre.
Der Text ist also als Aufforderung an unsere LeserInnen, EinzelkämpferInnen wie Gruppen zu verstehen, sich von der angestoßenen Debatte über Aneignung mitreißen zu lassen, die wir in der nächsten Ausgabe weiterführen und vertiefen wollen. Denn das Politbarometer sagt: Beleidigt am Zaun stehen und über die Verhältnisse meckern: Out - Sich nehmen, was uns sowieso zusteht: In.

Verglichen mit dem Ringen um den Aufmacher, lief die weitere Gestaltung der Ausgabe hingegen fast von selbst. Zunächst gibt es einen Überblick über die Berlin Umsonst-Kampagne. Anschließend stellen wir (Wieder-)Aneignungspraxen aus verschiedenen Ländern vor. Wir haben dabei aus der Not eine Tugend gemacht. Die Redaktionsmitglieder streiten nämlich nicht nur leidenschaftlich gerne miteinander, sondern fliegen auch leidenschaftlich gerne kreuz und quer durch die Welt, bevorzugt auf den amerikanischen Kontinent. Zeitweise hieß die wöchentliche Redaktionssitzung deshalb der „virtuelle Montag.“ Die meisten sind mit einem Artikel im Gepäck wieder angereist, andere haben sich für das Überwintern an der US-Westküste entschieden – by the way: Greetings to dash.

Auslandsaufenthalten von RedakteurInnen und AutorInnen sind die Texte über kulturelle Aneignung in Kanada, Obdachloseninitiativen in New York sowie über Kämpfe gegen die Privatisierung des Wassers in Bolivien und der Ideen in Venezuela zu verdanken. Ein Artikel über Biopiraterie ergänzt die venezolanische Debatte um intellektuelles Eigentum. Die Dagebliebenen waren in der Zwischenzeit selbstverständlich nicht untätig, sondern haben es sich in Berlin mit appropriation in the hood gemütlich gemacht oder Formen von Aneignung beleuchtet, die (auch) hier relevant sind: Medien, die Agenda 2010 und queere Praxen von Körperpolitik.

Außerhalb des Schwerpunktes findet ihr das angekündigte Diskussionspapier von K&P. Remember: die zweite aus der Spaltung der Antifaschistischen Aktion Berlin hervorgegangene Gruppe. Außerdem gibt es Reportagen, Interviews und Berichte zu Stadtteilinitiativen in Venezuela und Südafrika, zur Unterstützungskampagne für die Coca Cola-GewerkschafterInnen in Kolumbien sowie zum Radio der EZLN in Chiapas. Apropos EZLN: In der Nacht zum 1. Januar 2004 feiern die Aufständischen im Süden Mexikos ihr zehntes Jubiläum. FelS lädt deshalb Mitte Januar zu einer intergalaktischen Party in Berlin. Wo ist noch nicht klar. Achtet auf Plakate. Ein dickes Dankeschön auch an unsere langjährige Layouterin, die eine Runde aussetzt, und an die Gruppe Bugpapier, die diese Ausgabe ausnahmsweise gestaltet hat! Die Gruppe versteht die Illustrationen im Schwerpunktteil als einen eigenen Beitrag zum Thema Aneignung – jeweils losgelöst vom Inhalt der Artikel.

Aneignung 2 wird im Frühjahr 2004 begleitend zum und in Kooperation mit der BUKO erscheinen. Geplant ist, die in der ersten Ausgabe aufgeworfenen Widersprüche und Probleme zum Aneignungsbegriff mit theoretischen Überlegungen und einem Blick in die Geschichte anzugehen. Was ist Eigentum, wie verhalten wir uns zum Staat, wie sehen wir das Verhältnis von Kollektivität und Aneignung und andere spannende Fragen sollen über den Winter debattiert werden.

Die Waschkörbe für Fanpost, Meckerbriefe, inhaltliche Beiträge und natürlich wie immer auch für Abobestellungen, Anzeigenvorlagen und Spenden stehen bereit. Die arranca-Redaktion ist unter arranca@lists.nadir.org permanent erreichbar. Und wem studieren, Lohnarbeiten, fernsehen und/ oder Bier trinken nicht ausreichen: FelS ist eine offene Gruppe und kann unter fels@lists.nadir.org ebenfalls Tag und Nacht kontaktiert werden. Ein besonderer Gruß geht an Tata Boki und Vicky in Belgrad: Welcome Jana.

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Erschienen in arranca! #28