Organisierungsdebatte Teil II: Form follows function - Call for Participation #49
Für die kommende Ausgabe haben wir eine Fortsetzung der Organisierungsdebatte der radikalen Linken in #48 versprochen. Dazwischen gekommen sind uns das Memorandum in Griechenland und der Sommer und Herbst der Migration – und damit auch eine neue Qualität deutscher Dominanz in Europa. Was vor diesem Hintergrund zu tun ist, darüber wollen wir Analysen und Einschätzungen zusammentragen. Dabei geht es uns darum, die Formen der Organisierung mit den Anforderungen der politischen Situation abzugleichen.
1. Einige der Mechanismen, die in der europäischen Krisenpolitik z.B. in Griechenland wirksam wurden, haben wir in der arranca!-Ausgabe #45 zur Eurokrise angesprochen. Damals verwies etwa Tomasz Konicz auf die führende Rolle der BRD und die eskalieren-den Interessengegensätze. Mit der Durchsetzung der „Reformen“ in Griechenland hat beides eine neue Qualität erreicht. Was ist da passiert? Wie ist das Scheitern Syrizas zu bewerten? Ist dies das Ende des Reformismus oder linker Politik in der EU? Kann der Konflikt als Gegensatz von Zentrum und Peripherie verstanden werden, oder ist auch dies zuerst eine Geschichte von Klassen-kämpfen?
2. Einen anderen Schauplatz boten die Flucht- und Migrations-bewegungen der letzten Monate: Das Frontex-Regime wurde durch diese Bewegungen ganz praktisch in Frage gestellt. Auch in dieser „Krise“ hat Deutschland eine Führungsrolle übernommen, Dublin ins Wanken gebracht und zugleich neue Repressalien eingeführt. Neben der deutschen Dominanz auf der europäischen Ebene gibt es eine starke Mobilisierung: Im Konflikt stehen Nazis und „besorgte Bürger“ gegen eine Willkommenskultur im Angesicht staatlicher Leistungsverweigerung.
3. Wie können wir als Linke in der BRD auf diesem unüber-sichtlichen Terrain handlungsfähig werden? Aktionen wie Blockupy haben Möglichkeiten aufgezeigt, sich mit den Kämpfen in Südeuropa zu solidarisieren und auf die erpresserische Politik seitens der europäischen Institutionen und des IWF aufmerksam zu machen. In diesem Zusammenhang zeigten sich aber in der radikalen Linken deutlich unterschiedliche Einschätzungen, ob es nun darauf ankomme, durch gesellschaftliche Intervention einen „popularen linken Diskurs“ voranzubringen (so etwa die Gruppe Soziale Kämpfe in der #45) oder ob man sich „im Herzen der Bestie“ notwendiger-weise in der Minderheit befinde und in diesem Rahmen – OXI! – einen antagonistischen Widerstand entwickeln sollte. Ähnlich stellt sich die Frage im Verhältnis zur deutschen Willkommenskultur: Mischen wir uns ein in den bestehenden Aktionismus oder grenzen wir uns ab von den bürgerlichen Wohltäter*innen? Erfahren wir im zivilen Ungehorsam von Fluchthelfer*innen momentan neue Formen der transnationalen Solidarität?
Es gilt also, die Organisierungsfrage ausgehend vom Stand der Kämpfe zu stellen, nicht nur hier, sondern auch international. Wie können wir an Deutungsmacht gewinnen und die diversen Krisen zu einer Euro- oder gar Deutschlandkrise umgestalten? Wie sieht eine politische Praxis aus, die unsere Kritik gesellschaftlich wirksam werden lässt? Wie eine interventionistische Bündnispolitik? Oder der Widerstand im Herzen der Bestie, jenseits von Großdemonstrationen und 40 Jahre nach dem deutschen Herbst? Was ist der „zeitgemäße Internationalismus“, den die FelS Intersol AG in der #46 forderte? Anknüpfend an die letzte Ausgabe wollen wir die Diskussion fortsetzen, ob und wie Organisationen der radikalen Linken besser Basisarbeit leisten können oder wie schwerfällig anmutende Großorganisationen auf sich überschlagende Ereignisse, wie sie diesen Sommer passiert sind, flexibel reagieren können.
Wir freuen uns über eure Vorschläge und Ideen zu diesen Fragen und zu anderen, bisher zu kurz gekommenen Aspekten. Besonders freuen wir uns über Repliken zur letzten Ausgabe und sind auch offen für Beiträge jenseits dieses Schwerpunkts. Wie immer geht es uns dabei nicht um das Erzielen theoretischer Spitzenwerte, sondern um die Vergesellschaftung von (Handlungs‐)Wissen. Wir bitten euch, uns eure Artikelvorschläge bis zum 6. Dezember 2015 an arranca <ät> mail.de zu schicken. Die fertigen Artikel brauchen wir dann bis zum 7. Januar 2016.