Strategiekonferenz der Interventionistischen Linken: Call for Papers zu Plan A, B oder C…

19.02.2016
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Schon im dritten Jahr hintereinander überstürzen sich die Dinge wie zuletzt wohl nur 1989, und uns bleibt wenig übrig als dem Prozess so gut es eben geht zu folgen. Dass wir das nicht nur selbstbezüglich, sondern sogar mit grenzüberschreitender Reichweite tun können, liegt an der Initiative, die wir 2012 mit der Gründung des Blockupy-Bündnisses ergriffen haben: noch heute verdichtet sich in ihm, was eine linke aktivistische Antwort auf die Krise der herrschenden Verhältnisse werden könnte. Dass das nicht gereicht hat, wissen wir selbst. Aber immerhin. Auch wenn der unabsehbare Fortgang der Krise und die leider absehbare Eskalation schon im kommenden Frühling uns weiterhin nötigen, zunächst auf kurze Sicht zu entscheiden und zu handeln, liegt die Unumgänglichkeit einer auf längere Frist abzielenden strategischen Besinnung auf der Hand. Dabei geht es um unsere eigenen Möglichkeiten und um die weitere Ausrichtung unseres Organisierungsprozesses. Es geht aber auch um die Perspektiven der weiteren Linken. Es geht schließlich um die Auslotung der Chance, die Verhältnisse im Ganzen angehen und damit immerhin die Richtung ihrer Krise mitbestimmen zu können. Nicht nur in Deutschland, sondern in Europa und über die Außengrenzen der EU hinaus.

Diesem Ziel dient die kommende Strategiekonferenz, die wir deshalb auch nicht nur für uns veranstalten. Ihr Gelingen wird nicht nur an ihrem Verlauf, sondern auch an dem hängen, was wir schon im Vorfeld sagen – und zuschreiben werden. Und: Es hängt an der Weite des Horizonts, den wir uns dabei aufgespannen. Deshalb dieser Call for Papers. Wir suchen erste Antworten auf diese (und andere) Fragen:

  • Was bleibt von der globalen Welle der Platzbesetzungen, in denen der Arabische Frühling zu mehr als nur einem regionalen Ereignis wurde? Was lehrt uns sein Scheitern? Was zum Beispiel lehrt uns der Umschlag der Besetzung des Maidan in eine vertiefte innerimperiale Krise ohne emanzipatorische Tendenz. Eine Krise von selbst wieder globalem Ausmaß, die Hölle Syriens und das Wagnis Rojava einschließend?
  • Was lehrt uns die Eskalation von Terror und Anti-Terror? Was der Umstand, dass die fundamentalistische Gewalt heute keine Sache ferner Länder, sondern der Ränder unserer eigenen Städte ist, getragen auch von Subjekten aus „unserer“ Mitte? Was, andersherum gedacht, haben wir vom immer deutlicher hervortretenden Modell autoritär gewordener neoliberaler Postpolitik zu halten – von einem Regime, dass nicht einmal mehr „Sicherheit“ zu garantieren vermag und den Ausnahmezustand deshalb im Verfassungsrang festschreibt?
  • Was (größte Frage vielleicht von allen) ist eigentlich unser Verhältnis zur Ankunft des globalen Südens inmitten des globalen Nordens – einem Prozess, der im kommenden Frühjahr wieder Auftrieb gewinnen wird? Wie stellen wird uns dem rassistischen Mob entgegen, wie der extremistischen Mitte? Und wie zur Bewegung des Willkommens, deren Größe, Durchhaltevermögen und Autonomie auch uns überrascht hat?
  • Wie schätzen wir die gesellschaftlichen Kräfteverhältnisse und ihr Spiel von wechselnden Mehr- und Minderheiten, von Dritteln und Zweidritteln eigentlich ein? Wie die mit ihm gesetzten Gefahren – und die von ihm eröffneten Chancen? Was eigentlich sagen wir heute zum Griechischen Aufbruch und seinem jähen Abbruch – der vielleicht nur eine Unterbrechung gewesen sein wird? Wie denken wir über die Modelle, die uns Syriza, Podemos, die Bewegungswahllisten der spanischen Städte, die portugiesische Koalition, die Erneuerung der Labour Party bereitstellen? Sind das für uns „Modelle“, d.h. etwas, das uns zum Anhalt werden kann, um „es“ selbst noch einmal anderes zu machen? Wie halten wirs dabei mit der Regierungs-, gar mit der Machtfrage, auch mit der Frage nach einem „anderen“ Regieren?
  • Wie halten wirs eigentlich – mit der „Demokratiefrage“: Gesetzt immerhin, dass sie von nahezu allen sozialen und politischen Kämpfen seit 1989 als ihre erste und wichtigste Frage gefragt wurde und wird? Was ist uns Postdemokratie, was democracia real ya, und was hat das mit welchem Sozialismus, welchem Kommunismus zu tun? Mit dem Verhältnis von Partei und Bewegung, Institution und Ereignis? Im Bezug übrigens auf welchen Zyklus von Kämpfen: dem Zyklus 2010ff, dem Zyklus 1999ff – sind das zwei? Ist das vielleicht nur einer, und wenn ja oder nein, was für einer oder was für zwei sind das – was ist oder war ihr „Punkt“?
  • Wie glauben wir, stellen sich uns alle diese Fragen, wenn es in diesem, im nächsten, vielleicht erst im übernächsten Jahr zu einer Eskalation auch der ökonomischen Krise kommt? Was bleibt dann von uns und was werden wir dann sein und werden? Politisch, aber auch ganz „privat“, jede für sich? Was bleibt dann von uns und was werden wir dann in welchem Kapitalismus sein?
  • Wer, so ist bei all’ dem immer mitzufragen, sind wir als Linke denn eigentlich, als Linke des 21. und zugleich noch immer als Linke des 20. Jahrhunderts? Was bedeutet uns „1989“ – und was „1968“, die beiden Wendemarken zwischen Alter und Neuer Linker? Sind sie uns Wendemarken? Was eigentlich ist aus unserem Versprechen geworden, race, class und gender endlich wirklich drei-zu-eins zu nehmen, marxistisch und/oder postmarxistisch, fordistisch und/oder postfordistisch, modern und/oder postmodern? Als Linke noch immer einer Klasse oder eines Klassenbündnisses, als Linke gegen alle Klassen, als Linke des Städtischen, als Linke des Cyberuniversums, als Linke in der und gegen die imperiale Lebensweise, die auch unsere ist? Als Linke, verdammt und vielleicht, auf verlorenem Posten?


Bitte setzt euch hin und schreibt was auf. Zu einer dieser Fragen, zu einigen, zu allen, zu noch einmal anderen Fragen. Allein, zu mehreren, als Gruppe. Kurz, mittel, länger, lang. Zu Plan A, B oder C. Denkt dabei auf kurze und/oder mittlere und/oder lange Frist. Als Antwort auf die Texte, die wir hier schon dokumentieren und zu denen wir eure Texte hinzufügen werden. Damit wir auf der Strategiekonferenz schon was gelesen und uns deshalb das eine oder andere mehr oder anders zu sagen haben. Bitte.

Einsendungen bitte an konferenz@interventionistische-linke.org

 

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