Pipeline durchs Biotop

Die verfehlte Klimaschutz­agenda der Weltbank

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Seitdem der Klimawandel in aller Munde ist, spekuliert auch die Weltbank auf eine neue, bedeutsame Rolle. Das Thema ist für die Weltbank keinesfalls neu. Schon seit Beginn der 1990er Jahre firmiert der Klimawandel in den Hochglanzbroschüren der Weltbank als „größte Herausforderung der Menschheit“. Inzwischen präsentiert sie sich nicht mehr nur als Entwicklungsbank, deren Traum „eine Welt ohne Armut“ ist, sondern als Umwelt- und Klimabank, die hervorragend geeignet sei, Finanzierung und „Know How“ bereitzustellen, um Entwicklungsländern bei der Anpassung an den Klimawandel, dem internationalen Transfer „sauberer“ Technologie und der Reduzierung von Treibhausgasen zu „helfen“. Genau diese Themen stehen bei den internationalen Klimaverhandlungen ganz oben auf der Agenda.

Doch bis jetzt räumt die Weltbank dem Klimaschutz weder in der Kreditvergabe noch in ihren Analyse- und Beratungstätigkeiten Priorität ein. Mit der direkten Finanzierung von gigantischen Infra­strukturprojekten – von Pipelines über Straßen zu Mega-Staudämmen – und ihren Strukturanpassungsprogrammen hat die Weltbank zum Teil erheblicher Umweltzerstörung in Entwicklungsländern, etwa der großflächigen Abholzung und Degradierung von Regenwäldern, die Türen geöffnet. Die Weltbank ist zudem der größte öffentliche internationale Finanzgeber für klimaschädliche fossile Energieprojekte. Von 1993 bis 2006 finanzierte sie den Ausbau der fossilen Energieinfrastruktur mit über 30 Milliarden US-Dollar und ihre Investitionen in diesen Bereich sind ungebrochen hoch. Für Projekte im Bereich der Erneuerbaren Energien (ohne große Wasserkraftprojekte) gab sie im selben Zeitraum nur etwa 1,9 Milliarden US-Dollar aus.

Lukrativer UN-Klimaschutz

Die Weltbank kultiviert den Klimaschutz vor allem auf gesonderten – und teilweise hoch profitablen – Geschäftsfeldern. So hat sie sich mit der Verwaltung zentraler Finanzierungsmechanismen unter der UN-Klimarahmenkonvention schon früh eine einflussreiche Position in der jungen internationalen Klimapolitik-Architektur ergattern können. Zum Beispiel fungiert sie als eine der Umsetzungsorganisationen der Global Environmental Facility (GEF), dem bis dato wichtigsten internationalen Finanzgeber von Klimaschutzprojekten. Außerdem hat die Weltbank die Entwicklung der so genannten „flexiblen Mechanismen“ des Kyoto-Protokolls vorangetrieben, wie zum Beispiel der Gemeinsamen Umsetzung (Joint Implementation) und dem Mechanismus für saubere Entwicklung (Clean Development Mechanism - CDM).

Clean Development Mechanism

Im Rahmen des CDM können Industrieländer, die ihre Treib­haus­gas­emissionen reduzieren müssen, Projekte zur Treibhaus­gas­ver­min­derung in Entwicklungsländern finanzieren und die so erzielten Reduk­tionen auf ihr eigenes Reduktions­ziel anrechnen. Mit ihren inzwischen mehr als zehn Treuhandfonds im Bereich des „carbon finance“ agiert die Weltbank erfolgreich als Mittlerin zwischen Investoren und lokalen CDM-Projektentwicklern und kann sich dadurch Provisionen in Milliardenhöhe sichern. In diese Treuhandfonds investieren Großkonzerne wie RWE und die Deutsche Bank, die damit Umweltsünden an anderer Stelle „neutralisieren“ können. Dem Klimaschutz, der nachhaltigen Entwicklung in den Ländern oder den Menschen vor Ort hat das Ganze bisher jedoch kaum genutzt: Oftmals handelt es sich um Großprojekte, die Menschen und Umwelt vor Ort gravierende Schäden zufügen. Viele Projekte schwächen die Rechte der betroffenen Bevölkerung. In Uganda zum Beispiel wurden Menschen von ihrem Grund und Boden vertrieben und massenweise Eukalyptusbäume in Monokulturen gepflanzt – und die daraus gewonnenen Emissionszertifikate in Industrieländern auf die Emissionsbilanz angerechnet. Nachhaltige Entwicklung, die den Menschen vor Ort nutzt, sieht anders aus. Da es zudem erhebliche Mängel bei den Nachweisen dafür gibt, dass die Projekte zusätzlich zu sowieso geplanten Maßnahmen durchgeführt werden, wie es der CDM vorsieht, ist er in seiner derzeitigen Struktur eher eine Art Ablasshandel denn ein wirksames Klimaschutzinstrument.

Internationaler Emissionsrechtehandel

Auch zur Mobilisierung der Milliardeninvestitionen für den Übergang in eine „kohlenstoffarme Wirtschaft“ setzt die Weltbank auf den Markt – und zwar den internationalen Handel mit Emissionszertifikaten. Sie will die massive Ausdehnung dieser Märkte. So sollen zum Beispiel großräumige Abforstungen und „saubere Kohletechniken“ wie die Abscheidung und Speicherung von CO2 mit einbezogen werden. Im September 2007 wurden bei der Weltbank zwei neue Finanzierungsinstrumente für die Ausweitung dieser Märkte geschaffen. Wieder im Auftrag der G8 unterwegs, soll die Weltbank neue Ansätze zum Schutz der Regenwälder in Entwicklungs- und Schwellenländer „testen“, damit diese Teil des neuen internationalen Klimaregimes ab 2013 werden. Eines der Instrumente ist die umstrittene Forest Carbon Partnership Facility (FCPF). Das zweite will die Reduktion der Emissionen, die durch Entwaldung und Landdegradation entstehen (Reduced Emissions from Deforestation and Degradation – REDD), in Form von „Emissionsguthaben“ international handelbar machen und ein entsprechendes System vorbereiten. Bei der FCPF geht es unter anderem darum, anhand von zweijährigen Pilotprogrammen in zahlreichen Entwicklungsländern die Messung der erfolgten Reduzierung zu entwickeln und diese Länder damit auf das neue „REDD-System“ vorzubereiten. Angesichts der fatalen Rolle der Weltbank bei der Zerstörung von Regenwäldern ist diese neue Aufgabe höchst bedenklich. Bisher hat es die Weltbank versäumt, adäquat mit indigenen Bevölkerungsgruppen und lokalen Gemeinschaften zusammenzuarbeiten. Deren Rechte stehen aber bei solchen Projekten auf dem Spiel. Auch zivilgesellschaftliche Gruppen kritisieren, dass sie nicht ausreichend beteiligt wurden. Bei einer Einbeziehung von REDD in den internationalen Emissionshandel ist zusätzlich zu befürchten, dass es den Industrieländern einen weiteren Vorwand liefert, ungebremst Emissionen in die Luft zu blasen.

Saubere Energie und Entwicklung?

Nach Schätzungen der Internationalen Energieagentur (IEA) wird der globale Energiemarkt bis 2030 um zwei Drittel anwachsen. Allein die Nachfrage nach Primärenergie wird bis dahin um gut die Hälfte zulegen, vor allem aufgrund der steigenden Nachfrage von Entwicklungs- und Schwellenländern. Ein Großteil des Bedarfs muss nach IEA-Schätzung weiterhin mit fossilen Trägern gedeckt werden. Weltweit müssen Milliardeninvestitionen in die Energiesysteme in Entwicklungs- und Schwellenländer fließen, um den wachsenden globalen Energiebedarf zu stillen. Die IEA spricht von einem weltweiten Investitionsbedarf bis 2030 von etwa 16 Billionen US-Dollar. Doch zugleich gibt es den Klimawandel, der hauptsächlich durch die Verbrennung fossiler Energieträger angeheizt wird. Die mit Weltbankgeldern finanzierte Produktion von klimaschädlichen Treibhausgasen hat sogar erheblich zugenommen. Von 2005 bis 2006 hat die Bank ihre Investitionen für Öl- und Gasprojekte um satte 93 Prozent gesteigert (von 450,8 auf 869 Millionen US-Dollar). Das Niveau der Förderung war auch 2007 etwa gleich hoch.

Vor diesem Hintergrund hat die Weltbank von den G8 im Jahr 2005 das Mandat erhalten, ein Internationales Investitionsrahmenwerk für saubere Energie und Entwicklung zu erstellen. Im Zentrum steht die Aufgabe, die internationalen Investitionen in die Energiesektoren in Entwicklungsländern in Richtung einer „kohlenstoffarmen Wirtschaft“ umzulenken und zugleich den enormen Energiebedarf in Entwicklungsländern zu befriedigen. Auch sollen Entwicklungsländer mit Hilfe des Investitionsrahmenwerks bei der Anpassung an die Folgen des Klimawandels unterstützt werden.
Dass die Weltbank diese Ziele mit Hilfe „aggressiver Sektorreformen“ wie Liberalisierung, Privatisierung und Kommerzialisierung durchsetzen will, ist wenig überraschend.

Dieses marktbasierte Reformmodell im Stromsektor treibt sie schon seit den 1990er Jahren in Entwicklungsländern voran. Mittlerweile ist die Bilanz der Sektorreformen offensichtlich: Weder wurde der Zugang der armen Bevölkerungsschichten zu Elektrizität nennenswert erhöht noch wurden ökologische Nachhaltigkeitskriterien berücksichtigt. Beschäftigungsabbau und drastische Preissteigerungen hatten dagegen vor allem für die Armen negative Auswirkungen. Die Weltbank setzt aber auch darauf, dass durch die massive Ausdehnung des internationalen Handels mit Emissionszertifikaten jährlich Milliarden an Investitionen zusätzlich in „saubere“ Energien gelenkt werden.
Um die Ziele des Investitionsrahmenwerks umzusetzen, hat die Weltbank ihre Energieinvestitionen massiv hochgefahren. Seit 2006 hat sie mehr als 11 Milliarden US-Dollar in diesen Sektor investiert, was fast einer Verdopplung im Vergleich zu der Periode von 2003 bis 2005 gleichkommt. Zwar inszeniert sich die Weltbank als Musterschülerin bei der Finanzierung von erneuerbaren Energien und Energieeffizienz, indem sie von angeblich enormen Steigerungen in diesem Bereich berichtet. Doch ein Blick auf die Zahlen zeigt, dass die Investitionen der Weltbank in eine klimafreundliche und nachhaltige Energieversorgung marginal sind – und das seit 17 Jahren. Im gesamten Energieportfolio der Bank nehmen die Investitionen in erneuerbare Energien (ohne Großstaudämme) und Energieeffizienz nur etwa einen Anteil von zehn Prozent ein. Die großen Steigerungsraten im Bereich „sauberer Energie“ gehen vor allem auf die vermehrte Finanzierung ökologisch und sozial hoch problematischer Großstaudämme zurück.

Eine neue Strategie?

Die widersinnige „Klimaschutz“ – Agenda der Weltbank ist ganz im Sinne ihrer wichtigsten Anteilseigner, die nach wie vor auf die Nutzung fossiler Energie und den Ausbau der dafür erforderlichen Infrastruktur setzen. Umso beunruhigender ist es, dass die Weltbank von ihren mächtigsten Anteilseignern – den G8-Staaten – immer neue Klimaschutzmandate erhält. Auf Initiative der USA, Großbritanniens und Japans bereitet die Weltbank derzeit zwei neue milliardenschwere Klima-Investitionsfonds vor: den Clean Technology Fund (CTF) und den Strategic Climate Fund (SCF). Sie sollen Zuschüsse und günstige Kredite für Anpassungsmaßnahmen an den Klimawandel und die Verbreitung so genannter „sauberer Technologien“ zur Abmilderung des Klimawandels in Entwicklungsländern vergeben. Das Volumen der Fonds soll 10-12 Milliarden US-Dollar umfassen. Derzeit ist die Weltbank bemüht, Kritikern der Fonds den Wind aus den Segeln zu nehmen. Davon gibt es viele, allen voran die G77 und China. Sie fordern, dass neue Finanzierungsmechanismen für Klimaschutz und Anpassung in Entwicklungsländern bei der UN-Klimarahmenkonvention angesiedelt werden, wo die betroffenen Staaten gleichwertig am Verhandlungstisch sitzen. Erst auf dem UN-Klimagipfel Ende 2007 in Bali konnten die Entwicklungsländer gegen erheblichen Widerstand einiger Industrieländer durchsetzen, dass sie in dem dort beschlossenen Anpassungsfonds ausreichende Mitspracherechte erhalten und er von den Unterzeichnern des Kyoto-Protokolls überwacht wird.

Bis jetzt hat die Weltbank mit ihrem Kerngeschäft Umweltzerstörung, Armut und fehlgeleitete Entwicklungsstrategien in Entwicklungsländern gefördert. Der wichtigste Beitrag der Weltbank zum Klimaschutz wäre ein sofortiger Stopp ihrer eigenen Milliardeninvestitionen in zentralistische, auf fossilen Trägern beruhende Energiesysteme. Nötig ist ein neues Energiemodell weltweit, das vor allem dezentral auf Basis erneuerbarer Energien funktioniert und auch armen Menschen einen gleichberechtigten Zugang zu Energie ermöglicht. Erst dann, wenn sie eine in diese Richtung zielende globale Energiewende fördert, könnte die Weltbank ihrer Selbstbeschreibung als Entwicklungs-, aber auch als Umwelt- und Klimabank gerecht werden.

Daniela Setton arbeitet bei WEED (Weltwirtschaft, Ökologie & Entwicklung)

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Erschienen in arranca! #38