Bandite - Verbannte Partisaninnen

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Der Dokumentarfilm Bandite von Alessia Proietti und Giuditta Pellegrini (Italien 2009, 52 min.) fragt nach der Rolle der Frauen im Widerstand gegen Faschismus und deutsche Besatzung in Italien zwischen 1943 und 1945. Interviewpassagen mit ehemaligen Partisaninnen, Statements von Historikerinnen und Archivmaterialien (Bilder von faschistischen Aufmärschen und der Wehrmacht, Flugblätter der Partisan_innen, Pässe und Passierscheine) – folgen in schneller Montage aufeinander. Die schnellen Schnitte und die thematische und chronologische Zusammenstellung der Interviews – vom Krieg und Waffenstillstand Italiens mit den Alliierten 1943 über die Besatzung des Landes durch die deutsche Wehrmacht, die Entscheidung für die Resistenza, die Erfahrungen im Widerstand und schließlich das Kriegsende mit dem Referendum für die Republik als neue Staatsform, in deren Verfassung die Frauen erstmals in der italienischen Geschichte das Wahlrecht erhielten – betonen die Gemeinsamkeiten der Protagonistinnen und ihrer Erfahrungen. Der Film beschreibt dabei den Kampf der Frauen in der Resistenza nicht nur als Widerstand gegen Faschismus und deutsche Besatzung, sondern betont die emanzipatorische Dimension des Kampfes, fängt die Resistenza als zentralen Wendepunkt der Geschichte von Frauen in Italien ein und schlägt immer wieder den Bogen in die Gegenwart, indem er die Bedeutung der Erinnerung an die Resistenza für linke feministische Politik in Italien betont.

¿Als ich Bandite in Berlin gesehen habe, hat jemand hinter mir Bella Ciao mitgesungen – die Partisanenversion, nicht die der Reisarbeiterinnen, die im Film zuerst zu hören ist. Ist eine solche Wahrnehmung symptomatisch für die Geschichte der Frauen in der Resistenza – die Konzentration der Erinnerung auf männliche Partisanen?

Die Reisarbeiterinnen, junge Mädchen, die ihre Familien verließen, um außerhalb zu arbeiten, gehörten zu den ersten, die ihre Rechte mithilfe von Streiks einforderten. Das traditionelle italienische Kulturmodell (und nicht nur das vom Faschismus propagierte) war auf einen solchen Paradigmenwechsel nicht vorbereitet, ist es bis heute nicht ...
Die offizielle Geschichte hat daher immer versucht, die Rolle der Frauen in der Resistenza abzuwerten, hat die Frauen verschwiegen und in den Schatten der männlichen Partisanen gestellt.
Daher der Titel Bandite, mit der Doppelbedeutung, den der Begriff im Italienischen hat: bandita, Banditin, als die Kriminelle, die Geächtete, als Begriff, den die Nazis und die Faschisten für die Partisaninnen verwendeten; bandita bedeutet aber auch verbannt, beiseitegelassen. Bandite sind all diejenigen, denen der Eingang verwehrt wurde, in diesem Fall der Eingang in die offizielle Geschichtsschreibung.

¿Was war eure Motivation für den Film? Wie habt ihr die Protagonistinnen kennengelernt?

Bandite ist aus dem Wunsch heraus entstanden, die Wurzeln des feministischen Kampfes in Italien wiederzuentdecken, mit den Partisaninnen als seinen Pionierinnen. Die Resistenza stellte erstmals die klassischen weiblichen Rollen der Mutter und Ehefrau in Frage. Während des Krieges übten Frauen auf einmal neue Funktionen in den Fabriken und im öffentlichen Dienst aus. Sie verließen Heim und Herd, traten in Kontakt mit anderen Frauen und begannen, ihre Interessen in Arbeitskämpfen zu verteidigen. Die Protagonistinnen haben wir durch die historische Forschung von Alessia Proietti kennengelernt, über verschiedene historische Institute und den ANPI: das ist der größte italienische Partisan_innenverband, in dem ehemalige Mitglieder der kommunistischen Garibaldi-Einheiten organisiert sind.

¿Wo habt ihr den Film gezeigt, wie waren die Reaktionen?

Der Film hatte im Februar 2010 auf dem Parma Film Festival Premiere und ist danach an den unterschiedlichsten Orten gezeigt worden: an Schulen, in sozialen Zentren, in Kinos von Kulturassoziationen, bei feministischen und lesbischen politischen Gruppen.
Bandite war ein Publikumserfolg, wir haben viele interessierte Reaktionen bekommen. Das war und ist eine schöne und wichtige politische Erfahrung für uns, weil es uns ein Gefühl dafür vermittelt, wie viele Antifaschist_innen es heute inner- und außerhalb Italiens gibt: Menschen, die immer wieder daran erinnern, was der Faschismus war, der Krieg, die nazi-faschistischen Massaker vor und nach 1945. Die Diskussionen über den Film sind vor allem deshalb so wichtig für uns, weil die Repression im Moment äußerst hart ist. Diejenigen, die die unmenschlichen Bedingungen, unter denen Migrant_innen in Italien leben müssen, kritisieren, oder den Polizeistaat mit dem Sicherheitspaket, das uns die faschistische Regierung in den letzten Jahren beschert hat, oder die Militarisierung der Städte und die zunehmende Privatisierung des Gesundheits-, Psychiatrie- und Bildungssystems, werden verfolgt und verhaftet. Dabei gibt es in Italien viel Widerstand, viele Resistenze, die aber über das ganze Land verstreut und kaum vernetzt sind.

¿Der Historiker Claudio Pavone hat die Resistenza als Geschichte dreier Kriege interpretiert – Befreiungskrieg gegen die Deutschen, Bürgerkrieg und bewaffneter Klassenkampf. Die Protagonistinnen eures Films unterstreichen die Bedeutung der Resistenza für die Emanzipation der Frauen. Meint ihr, dass also eher von vier Kriegen gesprochen werden müsste?

Viele Historikerinnen haben die Resistenza als den Moment gesehen, in dem Frauen in Italien plötzlich die Möglichkeit hatten, sich in Massen zu versammeln und neue Formen politischer Partizipation fast aus dem Nichts zu entwickeln. Sie streikten und verbreiteten ihre Forderungen auf Flugblättern – Forderungen, die heute noch aktuell sind, wie die nach gleichem Lohn für gleiche Arbeit. Die Frauen waren es, die das Wort ergriffen und die „fliegenden Komitees“ in den Fabriken organisierten. Nach der harten und prägenden Erfahrung der Resistenza mussten die Frauen das vom Krieg zerstörte Land wieder aufbauen. Und die Männer, die von der Front zurückkehrten, verlangten ihre Arbeitsplätze zurück. Die meisten Frauen kehrten in dieser Phase nach Hause zurück, in die alte Rolle als Hausfrau, Mutter, Ehefrau. Aber einige der Partisaninnen haben so viel politisches Bewusstsein und Selbstsicherheit gewonnen, dass sie ihr ganzes Leben lang radikale Entscheidungen getroffen haben. Einige haben niemals geheiratet und viele der von uns Interviewten haben weiterhin Politik gemacht, in Gewerkschaften, Parteien, im sozialen Bereich. Sie haben dafür gearbeitet, die Erinnerung an die Resistenza wachzuhalten und ihre Erlebnisse den Jüngeren weitergegeben.
    
¿Von außen betrachtet scheint es mir eine Tendenz zu geben, die Resistenza mit den Faschisten zu vergleichen, indem behauptet wird, dass beide Seiten im (Bürger-)Krieg Verbrechen begangen haben und deshalb gleich seien. Was haltet ihr von der These des Bürgerkriegs? Welche Funktion hat diese Interpretation der Resistenza im öffentlichen Diskurs in Italien?

Dieser Krieg war kein Bürgerkrieg, sondern ein Befreiungskrieg. Ein Befreiungskampf, der in erster Linie gegen die faschistischen Unterdrücker geführt wurde und in zweiter Linie natürlich auch gegen die nazistischen Besatzer. Der Revisionismus, der die Resistenza als Bürgerkrieg bezeichnet, spielt den ohnehin schon starken Kräften der Rechten in die Hände. Sie versuchen, den Wert des Kampfes der Frauen und Männer in der Resistenza zu negieren, die nicht wenig Mut bewiesen haben, als sie sich in einer unvorhergesehenen, tragischen Situation befanden und eine Entscheidung treffen mussten. Sie haben sich entschieden, für ein besseres Leben für alle zu kämpfen.

¿Was kann aus der Geschichte der Frauen in der Resistenza für heute gelernt werden? Wie funktioniert die Weitergabe von Wissen und Erfahrungen derjenigen Frauen, die an der Resistenza teilgenommen haben?

Die Geschichte der Frauen im Widerstand ist eine verschwiegene Geschichte, verborgen in einer ihrerseits selbst fast vergessenen Geschichte, der Geschichte der Resistenza. Wenn es nicht die beharrlichen Partisan_innen gäbe, die uns immer wieder erzählen, was sie gemacht haben, gegen wen und vor allem wofür sie gekämpft haben, dann hätten die Revisionisten diese Geschichte sicher ganz unterschlagen. Heute wird die Geschichte des Faschismus, des Zweiten Weltkriegs und der Resistenza in italienischen Schulen gar nicht unterrichtet und es hat sich diese Vorstellung durchgesetzt, dass es auf der einen Seite die Faschisten gab, auf der anderen die Kommunisten, die ihre ideologischen Kämpfe mit Waffengewalt austrugen. Die Zielrichtung und die Komplexität der Resistenza gehen so vollkommen verloren, ebenso wie die Tatsache, dass in ihr Liberale und Anarchist_innen, Kommunist_innen und Sozialist_innen neben Priestern und Carabinieri gegen die faschistische Diktatur kämpften.

¿Die unterschiedlichen sozialen Situationen, aus denen heraus die Protagonistinnen sich für die Resistenza entschieden haben, sind einem nicht italienisch sprechenden Publikum nicht leicht zugänglich. Im Italienischen hört man einige Frauen Dialekt reden, andere nicht, was ja auch eine Klassenfrage ist. Wieso die Entscheidung, so wenige Differenzen zu zeigen?

Wir waren eigentlich sehr daran interessiert, so viele Unterschiede wie möglich zu zeigen. Aber die Frage der Zugehörigkeit zu einer bestimmten Partei zum Beispiel kam nicht vor, weil die Frauen – auch diejenigen, deren Familienmitglieder Sozialist_innen oder Kommunist_innen waren – nicht deshalb zur Resistenza gekommen sind, weil sie Parteimitglieder waren, sondern aus anderen Motiven: weil sie Frieden wollten, weil sie die faschistische Gewalt, die ihre Familie und sie selbst traf, nicht länger ertragen wollten.

¿Der Film zeigt sehr deutlich, wie wichtig die Frauen in allen Bereichen der Resistenza waren. Das ist ein ziemlicher Kontrast dazu, dass sie sonst oft auf die Rolle der Botinnen reduziert werden.

Mit dem Begriff staffetta, Botin, sollte einmal mehr die Rolle der Frauen in der Resistenza marginalisiert und ikonisiert werden. Frauen wurden pauschal einer Tätigkeit zugeordnet, die als zweitrangig, als Hilfstätigkeit betrachtet wurde. Sie spielt aber im Gegenteil eine zentrale Rolle in jedem Krieg, Guerillakrieg oder Befreiungskampf: Der Verbindungsoffizier, hier Botin genannt (staffetta ist ein weibliches Substantiv, so dass auch Männer als Botinnen eingesetzt wurden) transportiert Informationen, Waffen, Munition. Das ist von zentraler taktisch-strategischer Bedeutung und ermöglicht erst die Kommunikation zwischen den verschiedenen Abteilungen. Außerdem müssen die Botinnen vertrauenswürdig sein, weil sie sensible Informationen erhalten.
Die Frauen haben genau wie ihre männlichen Genossen alle Funktionen erfüllt: sie haben nachts Wache gehalten, sie haben Waffen und Munition, Kleider und Essen besorgt, Verwundete gepflegt, geschossen. Es gab reine Frauenbrigaden, Frauen, die als GAPistinnen, also in den Stadtguerillagruppen, aktiv waren und den Widerstand in den Fabriken organisiert haben. Die Erfahrungen des Krieges und der Resistenza waren für die Frauen der konkrete Beweis ihrer Gleichheit und der Moment, in der sie sich in der Praxis ihre Rechte als Staatsbürgerinnen erobert haben.

Website zum Film (auf italienisch und englisch): http://www.bandite.org/

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Erschienen in arranca! #45

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