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The Roboz says...

Mit Ausdauer und Zaehigkeit haben wir das Ergebnis Eurer Selbstvergewisserung gelesen, und es nimmt uns Wunder. Diese Verwunderung ist gegossen in folgende Fragen: Seid ihr sicher, dass ihr keine(n) Schatten habt?
Eure schattige Analyse des Status Quo, die uns eher an das herumstochern des SETI-Projekts im Datenhaufen erinnert, ist gleich in zweifacher Weise falsch. In Bezug auf Utopie, und in Bezug auf die GlobKrit Bewegung. Vielleicht habt ihr ja bei euren mitlitanten Untersuchungen auch mal den Bedarf nach linker Utopie abgefragt. Unsere Erfahrungen gehen eher dahin, dass die klassischen utopischen Inhalte durchaus geteilt werden.
Die Utopie ist nie verloren gegangen. Vielleicht schaut ihr, die euch ja zur Aufarbeitung linker Tradtionen bekennen moechtet, doch mal den utopischen Gehalt der Wahlprogramme von SPD und DKP in den fruehen Zwanzigern an, wer es bewegungsorientierter mag, die Panphlete vom Roten Stosstrupp oder der Formation Neu Beginnen . Oder viel aktueller, stoebert noch mal in der Wiege der von euch so schmaehlich denunzierten globKrit. Bewegungen, in Chiapas und kurz danach in
Seattle nach utopischen Inhalten. Gesundheit, Bildung, Nahrung, freie Bestimmung ueber alle das Leben wuerzig machenden Bereichen wie Arbeit, Glaube und Sexualpraktiken, das werdet ihr darin finden. Klammer auf: Warum schweigt ihr eigentlich so konsequent auf dem internationalistischen Kanal? Klammer zu.
Wie und wo haben sich denn diese Kernbestaende emanzipatorischer Kaempfe denn
verbraucht, wo waren sie je so realisisert, dass die Leute davon genug haetten, ihre Ohren dafuer verschlossen blieben? Nun, dennoch wuenschen wir euch viel Glueck auf der Suche nach dem utopischen Glueck, auch das ist sicherlich eine SINNVOLLE (dazu weiter unten) Beschaeftigung fuer eine Struktur, die doch ihre eigentliche Staerken im Antifaschismus und in der Organisation von bunten Paraden hat. In diesem Zynismus, jaja, eine intellektuelle Sackgasse, geschenkt, spricht auch die
Enttaeuschung, dass ihr so nachlaessig mit Strategie und Taktik umgeht.

Wie denn mehr werden?
Wir teilen, wie alle emanzipatorisch Kaempfenden, den Wunsch, unsere Ziele endlich umsetzten zu koennen, und die Gesellschaft so zu transformieren, dass Gemeinwohl und individuelle Befreiung so deckungsgleich sind, dass dabei die Freiheit nicht vernachlaessigt wird. Und wie schon gesagt, die Ziele sind allen klar, auch denen, die
apathisch und dumm gemacht worden sind, deren neuer Glaube der der eigenen
Machtlosigkeit ist. Doch immer noch handelt es sich dabei um einen Kampf, und nicht um eine diskursive Neuerfindung des utopischen Rades.
Machen wir mal einen Kassensturz, wie es der Delegado Zero vor einigen Jahren gemacht hat, nun aber fuer eure und unsere Kaempfe: Zersplitterung, Intellektualismus, kaum Ressourcen, weder finanziell noch personell, Militanz als fetischisierte Moehre vor der aktivistischen Schnauze, oder je nach Lesart eine hilflose Reaktion auf die eigene Machtlosigkeit, Aktionen, die hauptsache symbolisch, aber bloss nicht von unseren malochenden Nachbarinnen verstanden werden koennen, usw. usf. Bevor also unser letztes strategische Ziel, die konkrete Umsetzung der Utopie erreicht werden kann, muessen diese Probleme geloest werden. Das sind die draengenden strategischen Ziele. Das taktische Repertoire, also die Methoden zur Erreichung dieser Ziele, hat sich in den letzten Jahren nicht wesentlich vergroessert. Das ist unserer Meinung nach die Ursache fuer die desolate Situation, und eure und unsere Enttaeuschung, dass auch die aktuellen Bedrohungen und Krisen die Massen nicht in den Harnisch gebracht haben. Und viellecht gilt es, doch mal eine von den externen Enwicklungen unabhaengige langfristige strategische Perspektive einzunehmen.
Ziviler Ungehorsam ist ein willkommener Wiederentdeckter, und Recht habt ihr mit den positiven Erlebnissen, die so wichtig sind fuer die langfristige Motivation zum Kampf. Doch ihr unterschaetzt ihn auch. Diese Erlebnisse, die konkrete Erfahrung der gemeinsamen Praxis in Wuerde, ist unendlich viel wichtiger als ein Papier, wo oben Utopie drauf steht und dann ein paar wohlgefeilte Paragraphen stehen. Das sind Lernerfahrungen, die Risse in der kapitalistischen Totalitaet schaffen. Vielleicht auch intensiver als die Superheldengeschichte, doch die ist einfach zu cool um hier kritisert zu werden.
Der Grund, warum wir nicht mehr werden, warum die Gruppen, die die Auseinandersetzung suchen, nicht mehr werden, liegt dennoch an der fehlenden
Anschluss- udn Begeisterungsfaehigkeit unserer Praktiken, und an unserer Zoegerlichkeit. Dazu gehoert auch Fuehrungsschwaeche, dazu gehoert auch die ungeklaerte Frage der Gewalt und Militanz (Hier geht es nicht um Werbung fuer die universelle Gewaltfreiheit, im Gegenteil: Ghandi war Revolutionaer und hat das koloniale System zerstoert; und wir fordern auch hier eine strategische Kosten-Nutzen-Rechnung: Inwiefern bringen militante Rituale uns den oben genannten strategischen Zwischenzielen naeher?).
Der Feind der Revolution ist nicht die SPD, ist nicht die globalisierungskritische Bewegung, ist noch nicht mal DER Kapitalismus, nein, es ist immer noch die Reaktion, und solange die Reaktion es so leicht hat, medial und material unsere Ziele ueber unsere Praktiken zu denunzieren, kaempfen wir im Modus Don Quixote. Wir werden benutzt, das wisst ihr ja laengst wenn ihr die Extremismus-Diskurse analysiert
habt, um weiter Angst zu verbreiten, wir werden als lebendige Anti-Utopie diskursiv resymmetrisiert. Das kann aus strategischer Sicht nicht genuegen.
Sich selbst veraendern, wenn man die Macht anstrebt Wie geht ihr nur mit dem Genossen Holloway um? Selber Wuerde, kreative Macht des Tuns usw. in Anspruch nehmen, aber ihn denunzieren? Nicht die Namen sind wichtig, sondern die diskursiven Impulse.
Ja, es gab eine anti-institutionelle Stroemung in dieser Bewegung in der BRD, aber das ist doch nicht die Schuld von Holloway. Statt ihn zu dissen, uebrigens damit auch die zapatistischen Kaempfe, deren Teil er ist, solltet ihr ihn noch mal durch die strategische Brille lesen. Die Pointe geht im besagten Buch naemlich so, dass sowohl die reformistische, parlamentarische Strategie, als auch die revolutionaere, instrumentelle mit dem Ziel der Diktatur des Proletariats und des Absterbens des
Staates kritisch hinterfragt werden. Die strategische Ausrichtung auf staatliche Macht, die beiden Ansaetzen gemein ist, bleibt blind fuer die anti-emanzipatorischen Effekte der Ergreifung der staatlichen Macht. Das Sein bestimmt fuer ihn eben doch das Bewusstsein. Holloway deutet in eine eher anarchistische Richtung der Kaempfe. Denkt doch mal strategischer an Chiapas. Ihr jedoch wollt das als eine Verweigerung des machtvollen Kampfes per se missverstehen. Ts...
Vielleicht sindin dem Buch noch ein paar leckere Brocken zu finden, und einen ewigen Platz wird denjenigen von der Geschichte zuteil werden, die den urbanen Zapataismus aus der Taufe heben und praktizieren. Und uebrigens: wenn ihr ein unproblematischeres Verhaeltnis zu Institutionen und Macht habt, und revolutionaere Realpolitik der Kampf um Reformen sein soll (die sich doch im kapitalistischen System IMMER gegen sich wenden, im Sinne der Reaktion!), na dann husch, husch, loest euch fix auf und geht geschlossen in die Linke Partei. Die TrotzkistInnen mit ihren eigenen Waffen schlagen, und die eigene strategische Position aufpimpen, waer das nicht wasDort laesst es sich trefflich um Reformen streiten, und Ressourcen gibts dort auch.

Full Contact!
Merkwuerdig, dass ihr glaubt, die Befindlichkeiten der umworbenen passiven Masse von der Ferne einschaetzen zu koennen. Nehmt euch ein Beispiel an der Otra Campagna. Redet doch mit denjenigen, die potenziell eure Verbuendeten sein koennten. Hoert ihenen noch mehr zu und nehmt eine langfristige Perspektive ein, die ohne die aktionistische Kurzatmigkeit auskommt. Wandert auf ungewohnten Pfaden, die moeglichgst schief oder auch senkrecht zum linksradikalen Lifestyle liegen.

Gruesse von der Riptide
Vieles von Euren Analysen teilen wir hier auf der Riptide, die kulturtheoretischen Chunks ebenso wie der positive Bezug auf Organizing, Bewegungen und die Absicht, aus den eigenen Kaempfen gestaerkt hervorgehen zu wollen. All das oben gesagte ist zusammenfassbar in dem Wunsch, doch nicht die Zeit mit utopischer Selbstvergewisserung zu vergeuden, sondern die eigenen strategischen und taktischen Einsichten zu schaerfen, von hier sieht es so aus, als wenn ihr es mit dem Kaempfen ernst meint, aber nicht konsequent genug darueber nachdenkt, welche strategischen und taktischen Schritte fuer die Umsetzung der Ziele erforderlich sind.
Und diese, die Ziele, sind selbst vordergruendig strategisch und in diesem Sinne unutopisch. Die Utopie kann ruhig in weiter Ferne zunaechst blurry bleiben,
da sie in ihren Grundbestaenden eh schon immer da waren. Und entschuldigt bitte den teilweise paedagogischen Duktus, wir haben unsere Gedanken eben auch nicht "methodsich sauber" entwickelt, sondern einfach runtergeschrieben. Streiten laesst sich ja eh nur mit jenen, die einem nahe sind.

In solidarischer Verbundenheit
Euer Murray Bozinski

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