Geschichte

Solidarität für die politische Gegenwart

Interview mit David Featherstone

David Featherstone ist Dozent für Humangeografie an der Universität Glasgow und unter anderem Autor von »Solidarity. Hidden Histories and Geographies of Internationalism.«

Erschienen in arranca! #46

Raus aus dem Reservat

Der Artikel „Was heißt Ableism? Überlegungen zu Behinderung und bürgerlicher Gesellschaft“ in der arranca! Nr. 43 hat bei uns einen widersprüchlichen Eindruck hinterlassen. Die politische Intention des Artikels ist uns durchaus sympathisch. Auch der Ansatz einer sozialwissenschaftlichen Definition des Behindertseins in der bürgerlichen Gesellschaft trifft im Großen und Ganzen auf unsere Zustimmung. Doch uns fehlt der konkrete Blick in den Alltag behinderter Menschen, zu denen wir übrigens selber auch gehören.

Erschienen in arranca! #44

Wer von Vereinnahmung redet darf von Erfolgen nicht schweigen

Erfahrungen aus 30 Jahren Besetzungsbewegung

Hausbesetzungen sind eines der Zauberwörter linker Bewegungen: Sie sind unmittelbar radikal, sie brechen mit der Eigentumslogik, sie schaffen reale Freiräume, in denen es möglich scheint, kapitalistischen Herrschaftsverhältnissen zumindest teilweise zu entgehen. Hausbesetzungen haben eine glorreiche Geschichte. Mit ihnen verbinden sich Erinnerungen an kurze Sommer der Anarchie, wie es sie in vielen europäischen Städten gegeben hat.
Nach den großen Berliner Hausbesetzungsbewegungen der 1980er und 1990er Jahre wird die Legendenbildung überlagert von einer weniger ‚glorreichen’ Wahrnehmung. Angesichts der kompromisslosen Berliner Räumungspolitik erreichen Besetzungen oft nur noch symbolische Wirkung. Sie werden als szeneradikale Rituale wahrgenommen, die städtische Machtverhältnisse kaum in Frage stellen. Und spätestens seit das Wort Gentrifizierung in aller Munde ist und die Kritik daran ergänzt wird durch eine Selbstkritik der eigenen Pionierrolle, rücken auch (ex-)besetzte Häuser in ein anderes Licht. Eine in Mode gekommene Debatte um die Vereinnahmung linker Bewegungen beschreibt Hausprojekte als subkulturelle Farbtupfer, die zu steigenden Mieten und Verdrängung beigetragen hätten.

Erschienen in arranca! #44

Sammeln, sortieren, ablegen

Unabhängige Archive und Bewegungsgeschichtsschreibung

Mehr als 200 Archive in der Bundesrepublik archivieren soziale Bewegungsgeschichte. Wir haben einige selbstorganisierte Archive zu ihrer Arbeit befragt. Alle von ihnen verstehen sich als politische Akteur_innen. Der Großteil ihrer Arbeit läuft selbstorganisiert und ohne Bezahlung.

Das Archiv der Sozialen Bewegungen (AdSB) Bremen gibt es seit 1999. Erklärtes Ziel ist es, die eigene Geschichte zu bewahren und dem eigenen Interesse für Geschichte und Theorie mehr Raum zu geben. Ausgangspunkt des Projektarchivs in Berlin war der Unimut-Streik an der FU 1988/89, weil die Erfahrung zeigte, dass studentische Initiativen immer wieder bei Null anfangen. Erkenntnisse aus der Vergangenheit sollten fortan besser verarbeitet werden. Das Frauenforschungs-, -bildungs- und -informationszentrum e.V. (FFBIZ) in Berlin hat sich 1978 mit dem Ziel gegründet, Forschung, (Weiter-)Bildung und Information (Bibliothek/Archiv/Dokumentation) in einer Einrichtung zu verbinden. Das Papiertiger Archiv und Bibliothek der Sozialen Bewegungen gründete sich 1983 unter dem Motto „Von der Bewegung für die Bewegung“. Das Feministische Archiv Marburg (FemArchiv) wurde 1989 als Teil des Asta Marburg gegründet und versteht sich als Teil von Frauengegenstrukturen. Das Antifaschistische Pressearchiv- und Bildungszentrum Berlin e.V. (apabiz) wurde 1991 aus dem Teilbereich „Antifaschismus“ des Papiertiger-Archivs gegründet. Das Hans-Litten-Archiv (HLA) gibt es seit 2005. Die Vorgängereinrichtung, das Rote-Hilfe-Archiv, wurde zusammen mit der Bundesgeschäftsstelle der Roten Hilfe Ende der 1990er Jahre gegründet.

Erschienen in arranca! #44

Magdeburg war eine wirklich unerfreuliche Stadt

Und daran konnte auch die arranca! nichts ändern

Im Unterschied zu Leipzig, Dresden, Halle oder selbst dem kleineren Erfurt hatte sich in Magdeburg weder vor noch unmittelbar nach 1989 eine nennenswerte alternative Subkultur etablieren können. Das, was man dafür hätte halten können, verlor sich im Bermudadreieck zwischen Abwanderung, Drogenselbstversuch und SozialarbeiterInnenkarriere. Allein Punks – in ihrer apolitischsten und unsympathischsten Ausprägung – prägten das Bild nonkonformer Jugendbewegungen. Antifa, Autonome, HausbesetzerInnen? Dafür musste man schon nach Braunschweig, der Partnerstadt aus Vorwendezeiten, fahren. Dort gab es politische AktivistInnen, die Angst vor Nazis nicht kannten und als gute KommunistInnen keine Scheu hatten, unverständliche Aufrufe in der Fußgängerzone zu verteilen.

Erschienen in arranca! #44

Lebendige Milieus und unheimliche Fragen

Interview mit Gabi Bauer, Friederike Habermann und Vassilis Tsianos

¿Könnt ihr kurz erzählen, seit wann ihr in politischen Gruppen und Bewegungen aktiv seid und welche das im Laufe der Jahre waren?

Gabi: Ich habe mich Anfang der 1970er Jahre im Kommunistischen Bund (KB) organisiert und war dort bis zu dessen Auflösung. Erst war ich in einer Stadtteilgruppe und dann in meiner Betriebsarbeitszeit in der Betriebsgruppe organisiert. Die Stadtteilarbeit hat neben dem Zeitungsverkauf auch Wohnungs- und Sozialpolitik beinhaltet und die Betriebsarbeit brachte die Gewerkschaftsarbeit mit sich. Nachdem ich aus dem Betrieb raus bin, habe ich im Verlag des KB gearbeitet. Die politische Arbeit war sehr an Kampagnenpolitik orientiert. Wir haben damals nicht nur große Demonstrationen (mit)organisiert, sondern auch große Soli-Veranstaltungen mit internationalen Bewegungen. Kaum vorstellbar für heute, die Hamburger Messehallen voll zu bekommen, wenn es um die Solidarität mit bewaffneten Befreiungsbewegungen geht. Mein politischer Zusammenhang war dann die Antirepressionsgruppe im KB. So etwas wie Anti-AKW, Antifa, § 218 oder Bunte Liste lief natürlich alles parallel. Heute arbeite ich immer noch in der Redaktionsgruppe von analyse+kritik mit.

Erschienen in arranca! #44

Traditionen interessieren mich nicht so

Interview mit Peter Birke und Bernd Hüttner

Vordergründiger Anlass dieses Interviews ist das 20-jährige Bestehen der Gruppe FelS. Dabei soll es allerdings nicht um einen Lobgesang auf die Tatsache gehen, dass eine linke Basisgruppe es zwei Dekaden lang geschafft hat, nicht auseinanderzubrechen und in internen Grabenkämpfen zu versacken. Die Tatsache, dass dauerhafte „Organisierung ohne Organisation“ in der Realität eher selten ist, ist zwar für alle Beteiligten erfreulich – und eine Basis auf der sich aufbauen lässt – dennoch ist Kontinuität allein noch kein Indikator für eine aktive Rolle innerhalb gesellschaftlicher Kämpfe um die Frage, wohin die Reise geht. Und auch wenn es keinen Grund für völlige Niedergeschlagenheit gibt: An den eigenen Ansprüchen gemessen sind die sozialen Bewegungen, ist linke Organisierung in der Bundesrepublik heute nach wie vor randständig. An diesem Befund führt kein Weg vorbei, FelS hin oder her.
Allerdings soll diese Erkenntnis auch nicht zur Untätigkeit verdammen, weder auf der Straße noch in der politischen Diskussion um Stand und Perspektiven des emanzipatorischen Projekts. Und so geht es uns darum, unsere eigene Perspektive auf linke Bewegungsgeschichte kritisch yzu reflektieren und zu schauen, was „unsere“ Stabilität bedeutet – oder auch nicht.
Für die arranca! sprach Heike mit dem Hamburger Historiker Peter Birke und dem Politikwissenschaftler und Gründer des Bremer Archivs der sozialen Bewegungen, Bernd Hüttner. Beide beschäftigen sich seit Jahren mit Bewegungskonjunkturen und der Geschichte sozialer Bewegungen.

Erschienen in arranca! #44

Kleine Atempause

In diesem Sommer gibt es FelS nun ziemlich genau zwei Jahrzehnte – eine lange Zeit. Doch die wenigsten heute bei FelS Aktiven waren von Anfang an dabei. Die meisten haben vor 20 Jahren noch in den Kinderschuhen gesteckt. Was uns als FelS heute verbindet, ist für die Einen vage und für Andere ganz klar. Dieser Umstand geht nicht zuletzt auf das zurück, was den nicht minder vagen Titel ‚postautonom‘ trägt.
Was also heißt postautonom? Die Vorsilbe „post“ allein trägt zur Begriffsbestimmung nicht viel bei. Dass bisher niemandem ein „eigener“ Name für diese Generation der radikalen Linken eingefallen ist, mag auch daran liegen, dass schon die Bezeichnung „Autonome“ stets sehr vage war. Glaubt man den Jugendforscher_innen an den Unis oder den deutschen Mainstream-Medien, so genügen ja schon ein schwarzer Kapuzenpullover, ein Pflasterstein und eine Portion diffuser Wut im Bauch, um sich als Autonome_r zu qualifizieren. Derlei Platitüden werden von den meisten Autonomen zwar entschieden zurückgewiesen, auch innerhalb der Bewegung hat sich aber nie eine gemeinsame (Selbst-)Bezeichnung durchgesetzt. Um sich dem Begriff und seiner Bedeutung zu nähern, ist es hilfreich in der Geschichte zu graben.

Erschienen in arranca! #44

Editorial

Viele Fragen haben wir im Call for Papers für diese Ausgabe gestellt, viele Erwartungen an Bewegungsgeschichte steckten darin. Einiges davon schlägt sich in Artikeln dieser Nummer wieder.
Wie versprochen ist es keine schulterklopfende Nabelschau geworden. Der in unserer Gruppe geschriebene einleitende Artikel hat uns gezeigt, dass es mit der von uns so hochgehaltenen Geschichtsweitergabe nicht so einfach ist: Während diejenigen von uns, die schon lange dabei sind, den Text wenig spektakulär fanden, sind Neuere in der Gruppe froh, endlich mal alles übersichtlich präsentiert zu bekommen.
Insgesamt ist wenig Reflexion über die Notwendigkeit von Geschichtsschreibung herausgekommen. Ein wenig gewundert hat uns, dass der Zusammenbruch des Realsozialismus in keinem der Artikel eine Rolle spielt (ein geplanter Artikel dazu ist leider nicht zustande gekommen). Zwar gibt es auch bei uns keine Einigkeit darüber, ob der Mauerfall der entscheidende Faktor für die Gründung der Gruppe FelS 1991 war, aber erwartet hatten wir schon, dass die Geschichte der linken Bewegung viel deutlicher in die Zeit davor und danach eingeteilt werden würde. Überhaupt scheinen die letzten 20 Jahre wenig Epochales für eine linke Bewegungsgeschichte gebracht zu haben. Nach den sensationsheischenden Rückblicken auf 30 Jahre deutscher Herbst, 40 Jahre 1968 und so weiter hier also eine weniger spektakuläre Geschichtsbetrachtung. Am ehesten noch zieht sich das Themenfeld der Vereinnahmung durch die Nummer. Insofern bietet sie ein Innehalten, Zurückblicken und Reflektieren und macht uns und hoffentlich euch den Kopf ein wenig klarer für die nächsten Jahre.

Erschienen in arranca! #44

arranca! #44: Don't look back in anger

Editorial

Viele Fragen haben wir im Call for Papers für diese Ausgabe gestellt, viele Erwartungen an Bewegungsgeschichte steckten darin. Einiges davon schlägt sich in Artikeln dieser Nummer wieder.
Wie versprochen ist es keine schulterklopfende Nabelschau geworden. Der in unserer Gruppe geschriebene einleitende Artikel hat uns gezeigt, dass es mit der von uns so hochgehaltenen Geschichtsweitergabe nicht so einfach ist: Während diejenigen von uns, die schon lange dabei sind, den Text wenig spektakulär fanden, sind Neuere in der Gruppe froh, endlich mal alles übersichtlich präsentiert zu bekommen.
Insgesamt ist wenig Reflexion über die Notwendigkeit von Geschichtsschreibung herausgekommen. Ein wenig gewundert hat uns, dass der Zusammenbruch des Realsozialismus in keinem der Artikel eine Rolle spielt (ein geplanter Artikel dazu ist leider nicht zustande gekommen). Zwar gibt es auch bei uns keine Einigkeit darüber, ob der Mauerfall der entscheidende Faktor für die Gründung der Gruppe FelS 1991 war, aber erwartet hatten wir schon, dass die Geschichte der linken Bewegung viel deutlicher in die Zeit davor und danach eingeteilt werden würde. Überhaupt scheinen die letzten 20 Jahre wenig Epochales für eine linke Bewegungsgeschichte gebracht zu haben. Nach den sensationsheischenden Rückblicken auf 30 Jahre deutscher Herbst, 40 Jahre 1968 und so weiter hier also eine weniger spektakuläre Geschichtsbetrachtung. Am ehesten noch zieht sich das Themenfeld der Vereinnahmung durch die Nummer. Insofern bietet sie ein Innehalten, Zurückblicken und Reflektieren und macht uns und hoffentlich euch den Kopf ein wenig klarer für die nächsten Jahre.

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