Spot 1: Die Krise lernt laufen. Knapp 21 Monate sind vergangen, seit die  Dominowelt des Finanzkapitalismus ins Wanken geriet. Noch im Herbst  2008 waren Notenbanker_innen, neoliberale Vordenker_innen, Manager_innen  von Investmentfonds in heller Aufregung. Josef Ackermann, DAS Gesicht  des Bankensektors in Deutschland, erklärte öffentlich, er habe das  Vertrauen in die Selbstheilungskräfte des Marktes verloren. Wenig später  wurde eines der größten politischen Tabus der vergangenen Jahrzehnte  gebrochen: Der Staat schoss Abermilliarden in den Bankensektor, legte  Konjunkturpakete auf, machte Schulden, bezuschusste Unternehmen,  steuerte, protegierte und regulierte, was das Zeug hielt – weltweit. Der  Spiegel druckte den Nachruf auf das kapitalistische „Prinzip Gier“, das  unsere Welt in die Krise gestürzt habe.
Ein Jahr später ist, als  wäre nichts geschehen. Eine liberal-konservative Koalition hat die  Bundestagswahl gewonnen – nicht trotz, sondern mit der Ankündigung  massiver Steuergeschenke für Reiche und Unternehmen. Die Idee, dass die  Wirtschaft brummt, wenn die Kosten des Kapitals gesenkt werden, scheint  lebendiger denn je. Dass sich der Staat das verschenkte Geld und die  Kosten der Bankenrettung irgendwo wiederholen muss, ist auch der größten  politischen Abstinenzler_in klar. Bislang hat sich nur in Griechenland  und Island Protest gegen große Sparpakete gerührt. In Deutschland und  den meisten europäischen Ländern ist es weitgehend still geblieben.  Statt zu Demonstrationen mobilisiert die städtische Bevölkerung zu  Massen-Karaoke (London, Hamburg), Riesen-Flashmobs (Chicago) und Kissen-  oder Schneeballschlachten mit tausenden Teilnehmer_innen (Berlin und  über hundert Städte auf der ganzen Welt). „Tonight I‘m gonna party like  it‘s 1929!“ Der Ruf „Menschen vor Profite“, der in den Jahren zuvor  Zehntausende gegen die Alleinherrschaft des Neoliberalismus auf die  Straßen brachte, ist verstummt.