Eurokrise

Das verzögerte Ableben des Neoliberalismus

In dieser Ausgabe der arranca! beschäftigen wir uns mit dem Thema Europa in der Krise. Warum liegt auf der Hand: „Die alte Welt liegt im Sterben, die neue ist noch nicht geboren: Es ist die Zeit der Monster." (Antonio Gramsci). Angesichts der aktuellen Krise wird deutlich, wie viele Fragezeichen und Ungereimtheiten wir bezüglich der politischen und ökonomischen Prozesse in Europa haben, und das obwohl europäische Staatlichkeit – nicht nur in der Krise, sondern auch in ihrem Normalbetrieb – unseren Alltag und unsere politischen Kämpfe stark beeinflusst. Die derzeitige Sprachlosigkeit ist ein Resultat jahrzehntelangen Schweigens der radikalen Linken zum Thema Europa. Vieles ist ungeklärt. Lässt sich europäische Staatlichkeit als eine materielle Verdichtung sozialer Kräfteverhältnisse fassen, ähnlich dem Nationalstaat, aber dennoch nicht identisch mit diesem? Wie funktioniert staatliche Herrschaft in einem Staatenverbund wie der EU und inwieweit ist diese umkämpft? Was folgt auf die derzeitige Etappe der Krise? Fragen, die wir dringend klären sollten. Die Eurokrise zeigt: Emanzipatorische Kämpfe müssen sich auch auf dem Terrain der EU auskennen, wenn sie erfolgreich sein wollen.

Erschienen in arranca! #45

EU-Bashing als Erfolgsrezept des Rechtspopulismus

Ein europäischer Trend und seine deutschen Besonderheiten

Die Welle rechtspopulistischer Wahlerfolge schwappt weiter über Europa: Skandinavien ist inzwischen komplett mit Parteien dieses Typs überzogen, in Österreich, Italien, den Niederlanden, Belgien und Frankreich finden sich erfolgreiche Parteien des Rechtspopulismus, weitere Länder könnten genannt werden – und dann eine zentrale Lücke: in Deutschland ist gegenwärtig keine erfolgreiche Partei der extremen Rechten vorhanden, die mit dem Stichwort des Rechtspopulismus belegt werden könnte. Das kann sich, alle aktuellen Umfragen und Studien zu Einstellungsmustern in der Bevölkerung weisen dies aus, sehr schnell ändern. Andererseits ist momentan keine Formation in Sicht, der man Erfolge wie der Wilders-Partei in den Niederlanden oder der österreichischen FPÖ zutraut, und das obwohl mit der Partei Die Freiheit und der Pro-Bewegung mindestens zwei Gruppierungen genau an diesen erfolgreichen europäischen Rechtspopulismus anknüpfen wollen.

Erschienen in arranca! #45

Krise und Herrschaft durch Schulden

Für einen popularen linken Diskurs

Die Krise ist nicht vorbei und alles andere als unter Kontrolle. Jeden Tag bringt ein kurzer Blick in die Tageszeitungen neue Wasserstände: Die milliardenschweren „Rettungsschirme für den Euro“ reichen nicht aus – immer mehr Staaten werden von der „Staatsschuldenkrise“ erfasst. Damit meinen Teile der Politik, Medien und neoliberale Wirtschaftsexperten, dass die Krise als eine Krise der Staatsverschuldung zu verstehen ist, die durch undisziplinierte staatliche Politik und letztlich Bevölkerungen verursacht wurde, die seit Jahren über ihre Verhältnisse, auf „Pump“ gelebt hätten. Angesichts von Überschuldung und fehlender Wettbewerbsfähigkeit einiger Staaten sei eine „Vertrauenskrise“ der Finanzmärkte eingetreten, die zur Gefahr des Staatsbankrotts infolge steigender Zinsforderungen führe und den Euro als Währung insgesamt bedrohe. Die dominanten Krisendeutungen verstellen den Blick auf die Zusammenhänge der tiefgreifenden Krise des neoliberalen Finanzmarktkapitalismus.

Erschienen in arranca! #45

Errichtung eines "deutschen Europas"?

Interview mit Tomasz Konicz zur Eurokrise

¿Der Schwerpunkt dieser Ausgabe dreht sich um das Thema Europa. Wir fangen mal platt an. Cui bono - wer profitiert eigentlich von diesem „Prozess der europäischen Einigung“?

Die knappe Antwort müsste auf den ersten Blick die BRD als den Hauptnutznießer der „Europäischen Einigung“ benennen. Präziser: das deutsche Kapital. Doch selbst diese Einschätzung kann wohl künftig nicht mehr aufrechterhalten werden. Die Krise wird letztendlich auch Deutschland einholen.

Erschienen in arranca! #45

Kritische Theorien der europäischen Integration

Blick auf die Debatte und politische Implikation

„Die Entwicklung der EU geht […] nicht mit einer gesteigerten Aufmerksamkeit, etwa auf Seiten der Sozialen Bewegungen, einher. Auch die radikale Linke, sonst nie um eine Staatskritik verlegen, bleibt sprachlos“, erklärt der Aufruf zum linken Entsichern-Kongress: EU analysieren, kritisieren, demontieren im Jahr 2011. Ähnlich argumentierte im Jahr zuvor bereits der Aufruf der BUKO, das „Wissen über die EU und das Verhältnis zu ihr bleibe ‚unklar’“. Beide Aufrufe zeigen exemplarisch eine offensichtliche Verunsicherung innerhalb der Linken über die politische Einordnung der Europäischen Union. Um diese „Sprachlosigkeit“ zu überwinden, lohnt sich ein Blick in die wissenschaftlichen Debatten kritischer Europaforschung der letzten Jahrzehnte.

Erschienen in arranca! #45

Krise in Bewegung

Im Oktober 2011 war es soweit: Der Startschuss für Krisenproteste von unten fiel, Deutschland beteiligte sich am weltweiten Aktionstag der Occupy-Bewegung, Menschen aus allen Bevölkerungsschichten und jeden Alters protestierten gegen die Macht der Banken. In Berlin demonstrierten gut 10 000, in Frankfurt mobilisierte Attac einige Tausend, auch in Städten wie München gingen Bürger_innen auf die Straße.

Bis dahin war es lange Zeit still gewesen in Deutschland. Die Linke hatte es nicht geschafft, die Menschen gegen die neoliberale Politik in der Finanzkrise zu mobilisieren. Proteste im Herbst 2010 gegen das Sparpaket der Bundesregierung waren ein Flop. Eine Bankenblockade in Frankfurt am Main wurde wegen zu geringer Beteiligung abgesagt. Schlechtes Wetter, Terrorwarnungen, die Wahl eines Wochentages und mangelhafte Vorbereitung führten dazu, dass zu der Bundestagsbelagerung des Berliner Krisenbündnisses im November 2010 in Berlin nicht die erhofften Massen kamen.

Erschienen in arranca! #45

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