Schwerpunkt

Magdeburg war eine wirklich unerfreuliche Stadt

Und daran konnte auch die arranca! nichts ändern

Im Unterschied zu Leipzig, Dresden, Halle oder selbst dem kleineren Erfurt hatte sich in Magdeburg weder vor noch unmittelbar nach 1989 eine nennenswerte alternative Subkultur etablieren können. Das, was man dafür hätte halten können, verlor sich im Bermudadreieck zwischen Abwanderung, Drogenselbstversuch und SozialarbeiterInnenkarriere. Allein Punks – in ihrer apolitischsten und unsympathischsten Ausprägung – prägten das Bild nonkonformer Jugendbewegungen. Antifa, Autonome, HausbesetzerInnen? Dafür musste man schon nach Braunschweig, der Partnerstadt aus Vorwendezeiten, fahren. Dort gab es politische AktivistInnen, die Angst vor Nazis nicht kannten und als gute KommunistInnen keine Scheu hatten, unverständliche Aufrufe in der Fußgängerzone zu verteilen.

Erschienen in arranca! #44

Mahlzeit! Postautonome in der Gewerkschaft

Mahlzeit! Die Schlange in der Betriebskantine hinter mir wird länger. Bunt bebrillte Frauen und Männer im fortgeschrittenen Alter stellen sich an. Auch den wenigen Unter-40-Jährigen scheint das Hemd schon über dem Bauch zu spannen. Mittagspause in der ver.di-Bundesverwaltung. Eine halbe Stunde über die Arbeit, die Nachrichten oder den letzten Wochenendausflug sprechen. Mein Blick schweift durch den Raum. Hannelores und Hartmuts sind überrepräsentiert. Kaum Nichtdeutsche, kaum jüngere Leute, keine Infos oder Politflyer auf dem Tisch. Wer hier arbeitet, koordiniert Tarifrunden, verwaltet Mitglieder oder setzt sich für Mindestlöhne oder Gute-Arbeit-Indexe ein. Und das routiniert, in mehr oder weniger eingeübten Abläufen mit klaren Zuständigkeiten.

Erschienen in arranca! #44

Lebendige Milieus und unheimliche Fragen

Interview mit Gabi Bauer, Friederike Habermann und Vassilis Tsianos

¿Könnt ihr kurz erzählen, seit wann ihr in politischen Gruppen und Bewegungen aktiv seid und welche das im Laufe der Jahre waren?

Gabi: Ich habe mich Anfang der 1970er Jahre im Kommunistischen Bund (KB) organisiert und war dort bis zu dessen Auflösung. Erst war ich in einer Stadtteilgruppe und dann in meiner Betriebsarbeitszeit in der Betriebsgruppe organisiert. Die Stadtteilarbeit hat neben dem Zeitungsverkauf auch Wohnungs- und Sozialpolitik beinhaltet und die Betriebsarbeit brachte die Gewerkschaftsarbeit mit sich. Nachdem ich aus dem Betrieb raus bin, habe ich im Verlag des KB gearbeitet. Die politische Arbeit war sehr an Kampagnenpolitik orientiert. Wir haben damals nicht nur große Demonstrationen (mit)organisiert, sondern auch große Soli-Veranstaltungen mit internationalen Bewegungen. Kaum vorstellbar für heute, die Hamburger Messehallen voll zu bekommen, wenn es um die Solidarität mit bewaffneten Befreiungsbewegungen geht. Mein politischer Zusammenhang war dann die Antirepressionsgruppe im KB. So etwas wie Anti-AKW, Antifa, § 218 oder Bunte Liste lief natürlich alles parallel. Heute arbeite ich immer noch in der Redaktionsgruppe von analyse+kritik mit.

Erschienen in arranca! #44

Verschwommene Grenzen

Linke Praxen marktgerecht?

Danach gefragt, wie sich Alltag und linke Politik in den letzten 20 Jahren verändert haben, fällt mir als erstes auf, dass mein eigener Alltag in linker Kultur vor 20 Jahren begann. Ich zog damals in die Großstadt, suchte mir eine Gruppe, in der ich gegen Atomkraftwerke und für energiepolitische Alternativen arbeitete. Ich nahm an Wendo-Kursen teil. Ich arbeitete daran mit, ein Haus instand zusetzen, das ein Wohn- und Arbeitsprojekt für FrauenLesben werden sollte.

Erschienen in arranca! #44

Wird Abweichung zur Norm, Dissidenz zur Systemressource?

Dagegensein im flexiblen Kapitalismus

Erschienen in arranca! #44

Ein neues Zeitalter der Kämpfe

Über versäumten Internationalismus und die Ereignisse im arabischen Raum

Warum tut sich die hiesige Linke so schwer mit der internationalen Solidarität? Die Hilflosigkeit der radikalen Linken im Feld Internationalismus zeigt sich nicht zuletzt im (fehlenden) Umgang mit den Auseinandersetzungen im arabischen Raum. arranca!-Gespräch mit Hans-Peter Kartenberg, Aktivist bei der Initiative Libertad! und der Inverventionistischen Linken und Mila Mossafer vom Komitee zur Unterstützung der politischen Gefangenen im Iran über die Aufstände im arabischen Raum, das Schweigen der Linken und neue Handlungsmöglichkeiten.

Erschienen in arranca! #44

Traditionen interessieren mich nicht so

Interview mit Peter Birke und Bernd Hüttner

Vordergründiger Anlass dieses Interviews ist das 20-jährige Bestehen der Gruppe FelS. Dabei soll es allerdings nicht um einen Lobgesang auf die Tatsache gehen, dass eine linke Basisgruppe es zwei Dekaden lang geschafft hat, nicht auseinanderzubrechen und in internen Grabenkämpfen zu versacken. Die Tatsache, dass dauerhafte „Organisierung ohne Organisation“ in der Realität eher selten ist, ist zwar für alle Beteiligten erfreulich – und eine Basis auf der sich aufbauen lässt – dennoch ist Kontinuität allein noch kein Indikator für eine aktive Rolle innerhalb gesellschaftlicher Kämpfe um die Frage, wohin die Reise geht. Und auch wenn es keinen Grund für völlige Niedergeschlagenheit gibt: An den eigenen Ansprüchen gemessen sind die sozialen Bewegungen, ist linke Organisierung in der Bundesrepublik heute nach wie vor randständig. An diesem Befund führt kein Weg vorbei, FelS hin oder her.
Allerdings soll diese Erkenntnis auch nicht zur Untätigkeit verdammen, weder auf der Straße noch in der politischen Diskussion um Stand und Perspektiven des emanzipatorischen Projekts. Und so geht es uns darum, unsere eigene Perspektive auf linke Bewegungsgeschichte kritisch yzu reflektieren und zu schauen, was „unsere“ Stabilität bedeutet – oder auch nicht.
Für die arranca! sprach Heike mit dem Hamburger Historiker Peter Birke und dem Politikwissenschaftler und Gründer des Bremer Archivs der sozialen Bewegungen, Bernd Hüttner. Beide beschäftigen sich seit Jahren mit Bewegungskonjunkturen und der Geschichte sozialer Bewegungen.

Erschienen in arranca! #44

Kleine Atempause

In diesem Sommer gibt es FelS nun ziemlich genau zwei Jahrzehnte – eine lange Zeit. Doch die wenigsten heute bei FelS Aktiven waren von Anfang an dabei. Die meisten haben vor 20 Jahren noch in den Kinderschuhen gesteckt. Was uns als FelS heute verbindet, ist für die Einen vage und für Andere ganz klar. Dieser Umstand geht nicht zuletzt auf das zurück, was den nicht minder vagen Titel ‚postautonom‘ trägt.
Was also heißt postautonom? Die Vorsilbe „post“ allein trägt zur Begriffsbestimmung nicht viel bei. Dass bisher niemandem ein „eigener“ Name für diese Generation der radikalen Linken eingefallen ist, mag auch daran liegen, dass schon die Bezeichnung „Autonome“ stets sehr vage war. Glaubt man den Jugendforscher_innen an den Unis oder den deutschen Mainstream-Medien, so genügen ja schon ein schwarzer Kapuzenpullover, ein Pflasterstein und eine Portion diffuser Wut im Bauch, um sich als Autonome_r zu qualifizieren. Derlei Platitüden werden von den meisten Autonomen zwar entschieden zurückgewiesen, auch innerhalb der Bewegung hat sich aber nie eine gemeinsame (Selbst-)Bezeichnung durchgesetzt. Um sich dem Begriff und seiner Bedeutung zu nähern, ist es hilfreich in der Geschichte zu graben.

Erschienen in arranca! #44

Sister Rosetta Tharpe

man erzählt, einst seien wir verrückt danach gewesen,
gefühle auf donnerechsengröße wachsen zu lassen,
schwere, bedeutende tiere, die es nicht mehr gab –
bis wir zu denen wurden, die es nicht geben konnte

Erschienen in arranca! #43

The Caper Brothers

I ain’t gonna write you, I ain’t gonna write you, girl

es heißt, man sei nicht kränker als seine geheimnisse

Erschienen in arranca! #43

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