Schwerpunkt

Konstituierende Macht

Ein Interview mit Dario Azzellini

¿Wir wollen heute über den Begriff der «konstituierenden Macht» sprechen. Während der Vorbereitung für diese Ausgabe der arranca! hatten wir den Eindruck, dass das ein Konzept ist, das in Spanien, Italien und Lateinamerika in linken und emanzipatorischen Bewegungen relativ bekannt ist, während es in Deutschland selbst innerhalb der radikalen Linken kaum verbreitet ist. Vielleicht kannst du als Einstieg einfach kurz mal skizzieren woher der Begriff kommt und was er bedeutet?

Dario Azzellini: Der Begriff kommt aus der politischen Philosophie und bezeichnet ganz weit heruntergebrochen (und als Einstieg) erst mal vor allem das Zusammentreffen von Multitude und Potentia. Ersteres meint Menschen, die in nicht-hierarchischer Vielheit und Verschiedenheit zusammenkommen, und letzteres die Fähigkeit, die diesen Menschen kollektiv innewohnt, gemeinsam etwas Neues zu entwickeln und die Gesellschaft in der sie leben (um)zu gestalten. Damit einher geht die Tatsache, dass sie nicht nur die Macht, sondern auch die Legitimität haben selbst zu entscheiden wie sie zusammen leben wollen und nach welchen Regeln.

Erschienen in arranca! #47

Was ist Provinz?

Über die Arroganz der Metropole und die Schönheit der Provinz

Über die linke Provinzdiskussion kann eigentlich nicht besonders viel gesagt werden. Die traditionelle Linke beschäftigte sich kaum damit. Während der Weimarer Republik trat fast nur der ehemalige SPD- und spätere KPD-Politiker Edwin Hörnie mit einem eigenen Ansatz zur "Landagitation" in Erscheinung, der aber nach dem Krieg - Hörnie wurde SED-Funktionär - in Vergessenheit geriet (siehe: "Edwin Hörnie - ein klassischer SPD/ KPD-Provinzarbeiter", in: "Traum-A-Land", Provinzzeitung für Franken-Hohenlohe, Nr. 20, Juli/August 1981, ohne Autorenangabe, vermutlich aber Albert Herrenknecht).

ln den siebziger und achtziger Jahren kam es zu einem kurzen Aufschwung der Provinz­diskussion, was sicher auch mit dem Aufflammen der Anti-AKW-Kämpfe zu tun hatte, die die Provinz als Ort dieser Ausein­andersetzungen plötzlich interessant machte. Albert Herrenknecht schrieb sein Buch "Provinzleben - Aufsätze zu einem politischen Neuland" (Verlag J und Politik, Frankfurt 1977), ein "Kursbuch" (Nr. 39, Westberlin 1975) zum Thema Provinz erschien, in Berlin fand der "Stadt-Land-Dialog" statt. Mit dem Abflauen der Anti-AKW-Bewegung gerieten auch die Provinz-Orte wie Kalkar, Brokdorf, Grohnde, Wackersdorf etc. wieder in Vergessenheit - und mit ihnen die Erinnerung an die Notwendigkeit, sich auch mit der Provinz zu beschäftigen.

Erschienen in arranca! #4

Fight the Power

Interview mit drei Aktiven der Antifa JugendFront Göttingen über die bundesweite Organisierung "Antifa-Jugend/Bundesweiter Zusammenschluß (AJ/BZ)", den Sinn und Zweck der eigenständigen Organisierung von (linksradikalen) Jugendlichen und die Kritik autonomer (Jugend-)Politik.

¿Es gibt mittlerweile einen bundesweiten Antifa Jugend(Front)-Organisierungsansatz, die Antifa-Jugend/Bundesweiter Zusammenschluß (AJ/BZ). Könnt ihr kurz beschreiben, wie es zur Gründung kam?

HANNA: Die ersten Ansätze gab es vor drei Jahren, damals haben sich bundesweit sehr viele Antifa-Jugendgruppen gegründet. Es kam zu einigen Treffen, die jedoch keine konkreten Ziele hatten. Es gab aber schon die Diskussion darüber, was für Ziele wir haben und wie wir uns organisieren können...

Erschienen in arranca! #4

ILO

Einschätzung eines Organisationsansatzes

Im Januar 1993 veröffentlichten wir in der Nullnummer der Arranca eine Einladung für ein bundesweites Treffen von Gruppen und Einzelpersonen, das „das Entstehen einer radikalen, linken Organisation" zum Ziel haben sollte. Unsere Hoffnung war es, dem Zerfalls- und Individualisierungsprozeß in der Linken durch einen Organisationsansatz etwas entgegenzusetzen. Damit beabsichtigten wir nicht, durch die Gründung einer Partei die schlechten Erfahrungen der (aus der Studentenbewegung hervorgegangenen) K-Gruppen Anfang der 70er Jahre zu wiederholen. Uns war die Gefahr, daß eine neuentstehende Struktur vermeintliche Sicherheit ausstrahlen und dadurch notwendige Diskussionen blockieren könnte, durchaus bewußt.

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Erschienen in arranca! #4

Resumee und wie weiter

Dieser Text faßt in groben Zügen eine Ausstellung und ein Seminar zusammen, die von FelS im Rahmen einer Kampa­gne der Antifaschistischen Aktion-Bun­desweite Organisation im Herbst letzten Jahres gemacht wurden. Bei dieser Kampagne zum 9.November ging es um Geschichtsarbeit zu drei einschneiden­den Ereignissen an diesem Tag in der deutschen Geschichte: die Revolution 1918, die Pogromnacht 1938 und die Konsequenzen des Mauerfalls 1989.

Erschienen in arranca! #4

Sieben Fragen zum Organisierungsprozess

Folgender Text entstand 1993 im Zusammenhang mit der Organisationsdiskussion. Nach unserer Einladung in der Arranca Nr.0 („Treffen für eine radikale, linke Organisation”) trafen sich Pfingsten 1993 zehn Gruppen in Berlin. Bei diesem ersten, schwierigen und sehr zähen Wochenende verabredeten wir, zu acht gemeinsam formulierten, grundsätzlichen Fragen bis zum nächsten Treffen im September '93 Texte zu verfassen.

Erschienen in arranca! #4

Changing Times. Just do it

DIE SUCHE NACH NEUEM HAT BEGONNEN. EIGENTLICH ALLEN IST ES BEWUßT: AUF DER GRUNDLAGE VERÄNDETER GESELLSCHAFTLICHER VERHÄLTNISSE KANN LINKE POLITIK NICHT MEHR DIE GLEICHE SEIN WIE FRÜHER. EGAL, WIE MAN NUN ZUM REALSOZIALISMUS STAND, DIE LETZTEN JAHREN HABEN DIE WELT UMGEWÄLZT UND NIEMAND IST DAVON UNBERÜHRT GEBLIEBEN.

Erschienen in arranca! #4

"Ob von außen erstrittene Mindeststandards Perspektiven für weitergehende Forderungen eröffnen, halte ich für fragwürdig."

Solidarität und Gegenmacht im Produktionsprozess aus der Sicht indonesischer Gewerkschaften

Anwar ‘Sastro’ Ma’ruf ist nationaler Vorsitzender der Working People’s Association und der Indonesian People’s Movement Confederation, zweier Organisationen der linken Bewegung Indonesiens, die sich gegen Ende des autoritären und antikommunistischen Suharto-Regimes (1966-1998) formierten und sich eine undogmatische Organisierung der Linken sowie die Zusammenarbeit unterschiedlicher sozialer Bewegungen zur Aufgabe machen. Sastros Engagement begann in den 1990er Jahren als Arbeiter in der Elektroindustrie, als er noch unter Bedingungen der Illegalisierung in autonomen Arbeiter_innenorganisationen aktiv war. Diese waren die Vorläufer der später entstandenen unabhängigen Gewerkschaften und arbeiten heute an einer stärkeren Zusammenarbeit zwischen Industriearbeiter_ innen, staatlichen Angestellten und anderen sozialen Bewegungen.

Erschienen in arranca! #46

Über den Tellerrand hinaus

Klima-Internationalismus auf der Höhe der Zeit

Seit einigen Jahren formieren sich an verschiedenen Orten auf dem Globus sozial-ökologische Kämpfe mit ganz unterschiedlichen Hintergründen, die als Klimabewegung zusammengefasst werden können. Einen gemeinsamen globalen Ausdruck fanden diese heterogenen Bewegungen bei den Protesten und kollektiven Diskussionen anlässlich des UN-Klimagipfels in Kopenhagen im Jahre 2009. Kopenhagen und auch der alternative Gipfel in Cochabamba im Jahr danach waren Kristallisations-, Höhe- und zugleich Wendepunkte der jungen Bewegung.

Erschienen in arranca! #46

Anfänge

Die Grenzen der Troika und die Verbindungen transnationaler Praktiken

Dieser Artikel analysiert die Formen globaler Kämpfe weltweit
und fokussiert dabei Europa, wo neue Kräfte- und Machtverhältnisse
entstehen. Ausgehend von Blockupy sehen wir eine
neue Art von Kapitalismus – den Biofinanz-Kapitalismus – als
Ausgangspunkt für die gegenwärtige globale Unruhe. Der Begriff
Biofinanz-Kapitalismus betont die Allgegenwärtigkeit der
heutigen Finanzökonomie. Nach dem Schweizer Wirtschaftswissenschaftler
Cristian Marazzi befinden wir uns in einer
historischen Periode, in der Finanzen mit der eigentlichen Herstellung
von Gütern und Dienstleistungen verschränkt sind und
sich über den gesamten ökonomischen Kreislauf ausweiten.
Außerdem ist der Prozess der Inwertsetzung durch die zunehmende
Verstrickung mit dem Leben der Menschen gekennzeichnet.
Wert entsteht nicht nur durch körperliche Tätigkeiten und
materielle Arbeit, sondern auch aus – global gedachten – Körpern
und Bevölkerungen.

Erschienen in arranca! #46

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