Schwerpunkt

Lookism

Vom Umgang mit Schönheit, ästhetischem Urteil und dem Kater danach

Das Thema ist kompliziert. Wie könnte es auch anders sein, wenn schon das Wort ‚Lookism‘ derart sperrig ist. Für den aus dem englischen Sprachgebrauch entliehenen Begriff gibt es keine direkte deutsche Übersetzung.
Verstanden wird unter ‚Lookism‘, analog zu anderen strukturellen gesellschaftlichen Unterdrückungsverhältnissen (etwa Rassismus oder
Sexismus), diskriminierendes Verhalten gegen Personen auf Grund ästhetischer Urteile. Darunter fallen nicht nur offensichtliche Frechheiten und Tätlichkeiten, sondern auch abschätzige Blicke, zweideutige Kommentare oder sonstige versteckte ausgrenzende Sozialtechniken. ‚Schönheit‘, so lautet die vordergründige These, ist unter den Menschen ungleich verteilt, spielt jedoch in sozialen Beziehungen eine wichtige Rolle. Ästhetische Urteile seien für Individuen wie Gruppen hochgradig handlungsleitend und führten zu einer ungerechten und diskriminierenden sozialen Praxis, die sich durch alle zentralen Lebensbereiche zieht.

Erschienen in arranca! #43

Stachelbeermarmelade und die Farbe der Kunst:

Gibt es eine revolutionäre Literatur?

Vor einigen Wochen unterhielten sich die beiden ­italinienischen Schriftsteller Vincenzo Gallico und Paolo Nori für die arranca! darüber, ob Literatur zur Transformation beitragen kann.

Erschienen in arranca! #41

Ich kann das alleine! Ja?

Abhängigkeit und Selbstbestimmung

Jeder Mensch ist von anderen Menschen abhängig – als Kind, im Alter, bei Krankheit oder Behinderung in erhöhtem Maße. Jetzt einfach nur zu sagen: „Wir sind ja alle irgendwie abhängig; wir wollen es nur nicht so richtig sehen“, ist genauso einfach gestrickt wie „Wir sind ja alle irgendwie behindert“. Es stimmt einfach nicht. Selbstbestimmt zu leben hingegen ist für Menschen mit und ohne Behinderung gleichermaßen von Bedeutung.

Erschienen in arranca! #43

Ich möchte Teil einer Risikogruppe sein

Zur Debatte um Männergesundheit

Männer sterben früher als Frauen, betreiben zu wenig Prävention, leiden unter Wechseljahren-für-den-Mann – die Presse ist voll solcher Diagnosen. Das interessante und widersprüchliche Politikfeld Gesundheit wird durch die Geschlechterbrille noch interessanter und widersprüchlicher, zumal wenn diejenigen in den Blick geraten, die bisher gerade nicht als „Geschlechtswesen“ galten. Willkommen in der Debatte um Männergesundheit.

Erschienen in arranca! #43

Was heißt Ableism?

Überlegungen zu Behinderung und bürgerlicher Gesellschaft

„Wir werden nicht als Behinderte geboren, wir werden zu Behinderten gemacht“ – dieser Slogan der Behindertenbewegung ist einfach, aber wahr. Die Abwandlung des Simone de Beauvoir-Klassikers, mit dem sie die Gesellschaftlichkeit von Geschlecht auf den Punkt brachte, könnte eine simple Erkenntnis sein, und doch scheint sie im Fall von Behinderung auf den ersten Blick verwunderlich: Behinderung sei doch eine manifeste Eigenschaft von Körpern, ein Mangel. Wenn ein Arm oder Bein fehlt, Nervenstränge gelähmt sind, dann ist da nichts gesellschaftlich Gemachtes, und auch das fehlende Augenlicht kann man nicht dekonstruieren, könnte man sagen.

Erschienen in arranca! #43

Fat-Acceptance in den USA

Eine Einführung

Dicksein gilt als unästhetisch. Vor allem aber gilt Dicksein als gesundheitsschädlich. Organisationen wie die Weltgesundheitsorganisation WHO sprechen von einer globalen Seuche und sehen den dicken Bauch als das zukünftige Gesundheitsproblem Nummer eins. Die Folgen dieser „Übergewichts-Epidemie“ werden in dramatischen Worten geschildert. Prophezeit werden nicht weniger als ein Rückgang der Lebenserwartung und ein Kollaps des Gesundheitssystems.

Erschienen in arranca! #43

Cyborgkommunismus - Maschinenfetisch oder Verheißung?

Für eine linke Debatte zu "Exodus" und "Cyborg"

Wenn im Kapitalismus, wie Marx schreibt, „alles Stehende und Ständische verdampft“, so betrifft diese historisch einzigartige Auflösungsbewegung nicht nur die ökonomischen und politischen Institutionen. Aufgelöst, umgewälzt, neu zusammengesetzt werden auch alltägliche Lebensweisen und damit unsere Körper. Für die hochtechnologische Beschleunigung dieses Prozesses hat die amerikanische Feministin Donna Haraway den Begriff des „Cyber-Organism“ geschaffen, den Toni Negri und Michael Hardt zum Bezugspunkt ihres
„Multituden“- und „Exodus“-Begriffs nehmen. Der „Cyborg“ ist zugleich Mensch und Maschine und damit sowohl produktives Funktionselement eines allumfassenden Bio-Kapitalismus wie kreatives Subjekt eines Techno-Klassenkampfs. Im folgenden Beitrag gehen Michael Jäger und Thomas Seibert dem Verdacht nach, dass Haraway wie Hardt & Negri einer trügerischen Hoffnung folgen. Sie wollen so eine Debatte vertiefen, die längst überfällig ist.

Erschienen in arranca! #43

Es waren zwei Königskinder

Intersexualität und Queer-Politiken: Grenzen und Möglichkeiten der geschwisterlichen Zusammenarbeit

Wenn es um queere Politiken geht, dreht es sich um Lesben, um Schwule, um Trans*-, manchmal sogar um Polyamorie, es geht um die Kritik an zweigeschlechtlicher Norm und deren sexuelle Zwänge. Queer ist wild, aufmüpfig und vielseitig und muss als Kritik am hegemonialen Identitätskonzept insgesamt verstanden werden. Gudrun Perko bezeichnet dieses Verständnis von Queer als plural-queeren Ansatz. Folge ich diesem Ansatz, sind Geschlechterkonstruktionen flüssig, veränderbar – deshalb werden in diesem Artikel Geschlechtsbezeichnungen in Anführungszeichen gesetzt. Dem Ansatz zu folgen bedeutet meines Erachtens außerdem, sich Gedanken zu machen, wie die Auseinandersetzung mit spezifisch ‚intersexuellen‘ Forderungen aussehen könnte, ohne in die Falle der Vereinnahmung zu tappen: ‚Intersex‘-Personen können für plural-queere Politiken eine willkommene Blaupause sein, um der biologischen Zweigeschlechtlichkeit als Machtkonzept ein Schnippchen zu schlagen. Die Forderungen der ‚Intersex‘-Aktivist_innen sind da jedoch häufig anders gelagert.

Erschienen in arranca! #43

Mein Körper - mein veganer Tempel

Eine feministische Betrachtung möglicher Risiken und Nebenwirkungen veganer Ernährung

Wenn wir über politische Praxen sprechen macht es Sinn, nicht nur danach zu fragen, ob mit einer bestimmten Praxis das angestrebte Ziel erreicht werden kann, sondern auch, was nebenbei noch passiert, wenn wir uns diese Praxis zu eigen machen. In einer Militanzdebatte müssen wir nicht nur darüber sprechen, ob es den Staat schwächt, wenn Mülleimer brennen: wir müssen auch darüber nachdenken, wie sich Klandestinität auf Gruppenstrukturen und Geschlechterrollen auswirkt. Genauso sollten wir auch bei Veganismus über mögliche Nebeneffekte sprechen – zum Beispiel darüber, was vegane Ernährung für den Umgang mit Essen und mit Essstörungen für Frauen* bedeuten kann.

Erschienen in arranca! #43

Remember what's forbidden

Gesellschaftliche Kämpfe um Abtreibung

„Abtreibungen sind doch legal, das kann doch Jede machen – wieso soll das überhaupt noch ein Thema für die Linke sein?“ – so lautet eine recht häufige Reaktion auf feministische Interventionen, die Abtreibung zum Thema haben. Daran zeigen sich zwei Aspekte, die eine Beschäftigung mit der Praxis von Schwangerschaftsabbrüchen für linke Feminist_innen erforderlich machen: Erstens wissen erstaunlich wenige Menschen Bescheid darüber, dass es in der BRD kein Recht auf Abtreibung gibt und was es praktisch bedeutet, eine Abtreibung haben zu wollen. Zweitens ist ein Schwangerschaftsabbruch immer noch ein Tabu. Zwar finden die meisten Linken wohl, das Abtreibungen zugänglich sein sollten, aber die genauen Umstände sollen bitte Privatsache der ungewollt schwanger Gewordenen bleiben. Dahinter steht die oft unausgesprochene Haltung, dass Abtreibung etwas moralisch Verwerfliches sei.

Erschienen in arranca! #43

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