Schwerpunkt

Bad Timing

Der 11.9. hat die Globalisierungskritik unterbrochen, das zumindest. Aber zum Attac-Kongress in Berlin kamen wieder Tausende. Das Eindringen militanter Kritik in den gesellschaftlichen Mainstream scheint jedoch verschwunden zu sein. Dass sogar die CDU damit begonnen hatte, Deutschland als Einwanderungsland zu begreifen, ist mit den Gesetzesvorschlägen von Schily Makulatur geworden. Was ist mit der Bewegung selber? Mit den vielen Bewegten? Kann es sein, dass der Schock sie eingefroren hat? Was verbindet den 11.9. mit Globalisierungskritik: nur bad timing oder mehr?

Erschienen in arranca! #23

Das Versprechen des Politischen

20. Juli. Genua. Zweiter Tag der Demonstrationen. Gegen Mittag machen sich vom Leichtathletikstadion Carlini über 15.000 AktivistInnen aus Süd- und Westeuropa zum Training mit den Tute Bianche auf. Ein kurzer Rundlauf biopolitischer AktivistInnen, der eine Stunde später von einem CS-Gas-Bombardement der Polizei gestoppt werden wird. Zehn, zwanzig Meter steht alles in weißem Nebel. Biopolitischer Gegenangriff. Dahinter Panzerwagen. Wer keine Gasmaske auf hat, stürmt zurück. Zurück? Da ist nichts. Keine Seitenstraße. Keine Grünfläche. Kein Platz. Links meterhoher Bahndamm. Rechts Hauswand an Hauswand. Dazwischen die zähe Größe von Tausenden DemonstrantInnen. Tute Bianche im Training kurz vor der Massenpanik.

Erschienen in arranca! #23

Die Gesellschaft des Spektakels, das Alltagsleben und die Kunst der Entwendung

Zwischen 1957 und 1971 war die Situationistische Internationale (SI) eine der radikalsten Bewegungen der Kunst und zugleich der Neuen Linken. Quer zur Trennung von politischer Aktion, künstlerischem Experiment und theoretischer Kritik wollte die SI aufdecken, dass und wie die institutionalisierten Formen der Politik, der Kunst und der Theorie vollständig in den massenmedialen Totalitarismus der "Gesellschaft des Spektakels" integriert sind.

Erschienen in arranca! #22

Move Your Body

Zur bewegungslosen Vergewaltigungsdebatte in der Linken

Unendliche Variationen der so genannten Vergewaltigungsdebatte haben in den verschiedensten linken und linksradikalen Zusammenhängen und Organisationen während der gesamten 1990er Jahre immer wieder eine zentrale und zugleich dramatische Rolle gespielt. Entlang der meist aufreibenden, erhitzten und für alle Seiten unbefriedigenden Auseinandersetzung zum Thema sexuelle Gewalt spalteten sich ganze Gruppen, entzweiten sich befreundete GenossInnen, entstanden neue (unüberbrückbar scheinende) Fraktionierungen, politisierten sich die einen, während sich andere »aus der Politik« zurückzogen. Würde man jedoch eine Umfrage zum Thema durchführen, welches die prägenden Debatten innerhalb der radikalen Linken in den vergangenen zehn Jahren waren, kaum jemand würde die Vergewaltigungsdebatte nennen.

Erschienen in arranca! #21

Der Westen als Pferdefuß des ägyptischen Feminismus

Frauenkämpfe im Spannungsfeld von Kolonialgeschichte, Islamismus und Klassengesellschaft

Die Stimmung in dem überfüllten Raum des Forschungszentrums für Menschenrechte ist enthusiastisch, zahlreiche Vertreterinnen von Frauen- und Familienorganisationen sind gekommen, auch ein paar Männer mischen sich in die Diskussion ein. Die Schriftstellerin und über die Grenzen Ägyptens hinaus bekannteste Feministin Nawal Al Sadawi will eine Plattform ins Leben rufen: Frauen aus allen politischen und gesellschaftlichen Kreisen sollen ihre Rechte verteidigen und am 8. März 2000 auf die Straße gehen.

Erschienen in arranca! #20

Hier ist der Klimawandel, hier tanze!

In der Debatte um eine interventionistische Klimapolitik fällt auf, dass sie sich fast immer um die Frage dreht, mit welchen Inhalten die radikale Linke ins Feld der Politik eingreifen soll. Dabei stellt die ökologische Herausforderung nicht zuletzt die Form etablierter Politik selbst in Frage. Denn zum einen betrifft der Klimawandel den ganz konkreten Inhalt der Produktion und zum anderen sind ökologische Probleme wie der Klimawandel per se globalen Ausmaßes.

Erschienen in arranca! #41

Künstlerische Praxis als Emanzipationsstrategie?

Wieso Kunst? Diese Frage lässt sich stellen, wenn es darum geht, welche Strategien zu einer emanzipatorischen Transformation der Gesellschaft führen können. Warum halten sich Menschen, die an Emanzipation von historisch geschaffenen Zwängen interessiert sind, mit Kritik an den als ‹Überbauphänomenen› geschmähten Künsten auf? Die Debatte um Kunst – und Kultur im weiteren Sinne – ist in der historischen Linken dennoch immer wieder, teilweise mit Heftigkeit, ausgebrochen. Der Streit um Avantgarde versus Realismus, der in den späten 1930er in der Exilzeitschrift Das Wort geführt wurde und der als ‹Expressionismusdebatte› in die Kulturgeschichte eingegangen ist, zeichnet die Fragestellung vor, die in den darauf folgenden Jahrzehnten in der Linken immer wieder aufgegriffen wurde: Kann Kunst eine emanzipatorische Transformation von Gesellschaft antizipieren und wenn ja, wie muss diese Kunst dann aussehen?

Erschienen in arranca! #41

Die Commons in Zeiten der Cholera

Wie herauskommen aus dem kapitalistischen Elend? Wir müssen uns wohl erst einmal fragen, was nicht geht. Sei es aus analytischen Gründen, aus solchen der historischen Situation oder der historischen Erfahrung. Erst dann können wir anfangen zu überlegen, was gehen könnte. Ein recht anspruchsvolles Programm für einen Zeitschriftenartikel.

Erschienen in arranca! #41

Diverser leben, arbeiten und Widerstand leisten

Queerende Perspektiven auf ökonomische Praxen der Transformation

Manchmal scheint die Welt in einer winterlichen Starre gefangen zu sein. Immer noch werden Menschen in Gruppen unterteilt und ihre Beziehungen zueinandersind von Herrschaftsverhältnissen geprägt. Immer noch Rassismus, immer noch Sexismus, immer noch Kapitalismus. Immer noch ist Besitz extrem ungleich verteilt, haben wenige undenkbar viel und viele zu wenig zum Überleben. Immer noch Kriegeund Gewalt und immer mehr Überwachung. Andererseits passieren überall auf der Welt auch Sachen, die unsere Herzen höher schlagen lassen. Menschen gehen Beziehungen miteinander ein, arbeiten zusammen und vernetzen sich, entwickeln tolle Projekte und erfinden unglaubliche Geräte. Sie schaffen sich Freiräume, sie experimentieren und sie weichen lustvoll ab.

Erschienen in arranca! #41

Venezuela: Die konstituierende Macht in Bewegung

10 Jahre Bolivarianischer Prozess an der Regierung

In den letzten Jahrzehnten hat vor allem die Frage nach der Übernahme der (Staats-)Macht für Kontroversen innerhalb der Linken gesorgt. Ob der Staat übernommen wird, bis zu einem bestimmten Punkt mit staatlichen Institutionen zusammengearbeitet werden solle oder doch lieber jede Kooperation vermieden werden müsse, war ein zentraler Streitpunkt. Die Wahl verschiedener linker Regierungen in Lateinamerika, vor allem die Fälle Venezuelas und Boliviens, spielen eine zentrale Rolle. Mit der Wahl von Hugo Chávez zum Präsidenten Venezuelas und seiner Amtsübernahme Anfang 1999 begann ein Prozess wirksamer und auf eine sehr breite linke Bewegung gründender sozialer Transformationen, der die Linke zwingt, bestimmte tradierte Konzepte neu zu denken.

Erschienen in arranca! #41

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