Schwerpunkt

Organisation der Emanzipation

Ein Interview mit der Jour Fixe Initiative Berlin

Die jour fixe initiative berlin besteht seit Oktober 1997. Mit Vortragsreihen zur Kritik von Herrschaft, Ausbeutung und Unmündigkeit bietet sie eine Plattform für die Diskussion und Theoriebildung innerhalb der radikalen Linken. Die Reihe im Sommer 2014 stand unter dem Titel Organisation der Emanzipation? Zwei der Vorträge erschienen in der Zeitung analyse & kritik: Plädoyer für einen revolutionären Romantizismus von Michael T. Koltan (ak 593, 15.4.2014) und Alternatives Wirtschaften als Teil politischer Organisierung von Margarita Tsomou (ak 596, 19.8.2014). Das aktuelle Programm und weitere Informationen finden sich unter www.jourfixe.net.

Das ist eine ausführlichere Version des Interviews aus der Printausgabe.

Erschienen in arranca! #48

Eine Generation jenseits von Generationskonflikten

Interview mit einem Aktivisten der südkoreanischen linken Organisation YLeft

Die Gruppe Youth Left · 청년좌파 gründete sich im Januar 2013 und hat derzeit etwa 100 aktive Mitglieder. Mit ihrer Schwesterorganisation, der Gewerkschaft der prekären Teilzeit- Arbeiter*innen vertritt sie eine Generation, die trotz Wachstums der koreanischen Wirtschaft unter steigenden Mieten, hohen Studiengebühren und harten Arbeitsbedingungen leidet. Sung-il Kim (Kimstcat, 36, Vorsitzender der YLeft) ist eine der Galionsfiguren dieser jungen südkoreanischen Linken. Er began seine politische Laufbahn in einer kleinen Linkspartei, der Socialist Party · 사회당. Da er weder aus einer studentischen Organisation noch aus einer Gewerkschaft stammt, gelang es ihm abseits von traditionellen Strukturen und Ideologien der koreanischen Linken zu agieren und anerkannt zu werden. Dadurch konnte er viele junge Aktivist*innen in und später auch außerhalb etablierter Parteistrukturen organisieren, die sich mit den bestehenden linken Parteien nicht identifizieren konnten. Kimstcat verließ 2012 die Labor Party und gründete mit seinen Genoss*innen  die YL.

Erschienen in arranca! #48

Das Einfache, das schwer zu machen ist

Eine Leseliste mit Geschichte und Geschichten über die Organisation des Kommunismus

Bertolt Brecht bezeichnete den Kommunismus als „das Einfache, das schwer zu machen ist" und verwies damit auf den Widerspruch zwischen Utopie und politischer Praxis, auf die „Mühen der Ebene". Es ging um die alltägliche Schwierigkeit, sich mit vielen verschiedenen Menschen über ein gemeinsames Ziel zu verständigen und diese Verständigung nicht als Selbstlähmung, sondern als vorwärtstreibenden Kampf zu organisieren. Die politische Linke von heute steht dabei vor dem Problem, dass einst selbstverständliche Kollektive wie „wir Frauen" oder „die Arbeiterklasse" fragwürdig geworden sind, das revolutionäre Subjekt sich in „Multitude" und „Mosaik-Linke" auszufransen scheint. Ein Blick in die Geschichte zeigt jedoch, dass auch im 19. und 20. Jahrhundert Klasse und Klassenbewusstsein Begriffe waren, um die gestritten wurde, die unterschiedliche politische Identitäten und Organisationsformen beinhalteten. Die folgende kleine Auswahl von biographischen Annäherungen an Revolutionärinnen und Revolutionäre der Vergangenheit will diese Vielfalt auffächern.

Erschienen in arranca! #48

Knackpunkte

Eine Diskussion mit IL-Genoss*innen aus unterschiedlichen Städten

Der fortschreitende Organisierungsprozess der Interventionistischen Linken (IL) ist für manche Gruppen erst Anlass gewesen, sich zu gründen, während sich andere im Laufe des Prozesses verabschiedeten. Wir sprachen mit ehemaligen, neuen, sowie neuen-alten Mitgliedern über Perspektiven auf jene Fragen zum IL-Prozess, die der Artikel Teil einer Jugendbewegung sein von dsan1 und die antwort darauf Von Spatzen und Tauben, Dächern und Händen aufwerfen.

Die Gesprächsteilnehmer_innen Maik Kowalski ist organisiert bei JURI – Linke Gruppe, die im Sommer 2014 aus der IL austrat, Jonas ist organisiert bei der IL Wien, die sich erst vor kurzem gründete, ebenfalls wie die IL Frankfurt am Main, bei der sich Katja organisiert. Lea war bei der Gruppe FelS organisiert, verließ diese und ist bis heute beim AK Reproduktion Berlin, Mitglied in der Emanzipatorische Linke – Strömung innerhalb der Partei Die Linke (ema.Li.-Berlin) und ist aktiv im Netzwerk Care-Revolution. Mark war bei der Antifaschistischen Linken Berlin (ALB), die sich im Sommer 2014 auflöste, wobei einige Mitglieder mittlerweile in der neu konstituierten IL Berlin organisiert sind.

Erschienen in arranca! #48

Teil einer Jugendbewegung sein

Das im IL-Zwischenstandspapier avisierte Parteimodell folgt anachronistischen Vorstellungen von linker Organisierung

„Wie können die Bewegungen also gerade ein zugleich globalisiertes und radikal vereinzeltes Alltagsleben zum Möglichkeitsspielraum ihrer Autonomie machen, ein Alltagsleben, das nicht nur in seiner Arbeits-, sondern auch in seiner ,Freizeit‘ dem Kapitalkommando unterworfen ist?“

Thomas Seibert: „The People of Genova, Plädoyer für eine post-avantgardistische Linke“, 2003

Erschienen in arranca! #48

Von Spatzen und Tauben, Dächern und Händen

Zur IL nach dem Zwischenstandspapier - Zugleich eine Antwort auf dsan1

Vier Freund_innen auf einer Terrasse in den Bergen. Alle kommen ursprünglich aus derselben Stadt. Nur eine ist wieder dort, die anderen hat es in andere Orte verschlagen. Alle sind (noch oder wieder) in der IL aktiv. Eine hat ein einjähriges Kind, zwei studieren, eine lohnarbeitet mehr als 40 Stunden pro Woche, eine war viele Jahre nicht organisiert und hat jetzt den Wiedereinstieg gewagt. Was haben wir an der Zwischenstands-IL?

Erschienen in arranca! #48

Maoismus als Organisierungsmodell der westdeutschen radikalen Linken

Eine Buchschau

Bis zu 100 000 personen sollen sie in irgendeiner Form durchlaufen haben: die maoistischen K-gruppen und ihre diversen Vorfeldorganisationen. Mag das auch allzu großzügig geschätzt sein, so bleiben sie dennoch einer der dominanten Organisierungsansätze der radikalen Linken in den 1970er Jahren. Die vielen Neugründungen „kommunistischer“ Bünde und Parteien jenseits der noch an der UdSSR orientierten Deutschen Kommunistischen Partei, angefangen mit der Kommunistischen Partei Deutschlands / Marxisten-Leninisten (KPD / ML) 1968/69, standen vor allem im Zusammenhang mit dem Auslaufen der studentischen 68er-bewegung und dem Niedergang des Sozialistischen Deutschen Studentenbunds (SDS) als ihres maßgeblichen Organisationszusammenhang. Für die K-Gruppen galt, die Milieubegrenzung der studentischen Bewegung aufzuheben und die revolutionäre Begeisterung ihrer Aktivist*innen in die Arbeiter*innenklasse zu tragen – als deren einzig echte Vertretung sich die diversen K-Gruppen in der Regel selbst wahrnahmen, inklusive allem damit verbundenen Sektierertum und Konkurrenzkampf. Und vor allem: meist grandioser Erfolgslosigkeit. Ihre geschichte endet – mit Ausnahmen – bereits wieder Anfang der 1980er Jahre. Größtenteils gingen ihre Mitglieder in die zu diesem Zeitpunkt entstehende Partei der grünen oder in immer neue zerstrittene und isolierte Kleinstzirkel über. Die Marxistisch-Leninistische Partei Deutschlands (MLPD) stellt heute die einzige verbliebene K-Gruppe dar, der noch eine relevanz innerhalb der Linken zugesprochen werden kann.

Erschienen in arranca! #48

Was ist interventionistische Basisarbeit?

Über die Herausforderung der (Selbst-)Organisierung in lokalen Kämpfen

Seit fünf Jahren beteiligt sich die Stadt-AG von Avanti Berlin, mittlerweile aufgegangen in der Stadt-AG der Interventionistischen Linken (IL) Berlin, an stadtpolitischen Aktivitäten. Dabei stand unter anderem das Ziel der berlinweiten Handlungsfähigkeit der Bewegungsakteure im Fokus. In diese Zeit fallen auch das Ankommen des Themas Mietenpolitik im öffentlichen Diskurs und in konkreten Konflikten erzielte Teilerfolge: Zwangsräumungen, Sozialmieter_innen am Kotti, Ausverkauf von Grundstücken der Bundesanstalt für Immobilienaufgaben.

Erschienen in arranca! #48

Maulwurf statt Adler

Der Kampf um den Alltag und die Risse im neoliberalen Kapitalismus

Es sieht düster aus für gesellschaftsverändernde Praxis in Deutschland! Zumindest, wenn man dem Zwischenstandspapier der Interventionistischen Linken (IL ) glauben soll: So heißt es dort, dass „der Kapitalismus in Deutschland ökonomisch und ideologisch scheinbar fest im Sattel sitzt“, weil „die Mehrheit der Lohnabhängigen und Prekarisierten hofft, an der Seite der Mächtigen besser durch die Krise und die gegenwärtigen und zukünftigen Unsicherheiten zu kommen, als mit Widerstand und Solidarität“. Während die globale und europäische Peripherie von sozialen Auseinandersetzungen erschüttert werde, herrsche in Deutschland soziale Friedhofsruhe.

Diese Perspektive ist nicht nur verkürzt. Sie birgt vor allem die Gefahr, wichtige Eingriffspunkte für gesellschaftliche Auseinandersetzungen zugunsten einer eingeschliffenen Kampagnenroutine zu übersehen. 

 

Erschienen in arranca! #48

Was ist ein Organ?

1. „Organ” vom altgriechischen „organon“ (ὄργανον): Werkzeug, Sinneswerkzeug.
2. Aristoteles’ Organon: beschreibt die Logik als Werkzeug der Wissenschaften.
3. Brechts Kleines Organon für das Theater: entwirft ein Theater, das nicht schöne Nutzlosigkeit oder spektakuläre Einzelschicksale vorgaukelt, sondern als Apparat von Aufklärung und Klassenkampf dient.
4. Lenins Aufsatz Parteiorganisation und Parteiliteratur: fordert, politische Zeitungen müssten „Organe“ werden und samt Verlagen, Lagern, Läden, Leseräumen etc. dem organisierten Proletariat unterstehen.

 

In der Biologie ist ein Organ ein Körperteil oder eine Funktionseinheit aus verschiedenen Geweben. Das Zentralorgan – bei Lenin ein Medium zur ständigen Einschätzung der politischen Lage und Vereinigung der lokalen Kämpfe durch Ermittlung einer gemeinsamen Linie – wäre in diesem Sinne wohl am ehesten Kopf oder Phallus: groß, singulär, mächtig. Prawda – du sollst keine andere Wahrheit neben mir haben! Wie steht es dagegen um die hier vorliegende Zeitschrift? Ist die arranca! bisher das Organ von FelS gewesen? Welches? Was sind ihre Aufgaben? Was heißt es für eine solche Zeitung zu arbeiten? Und was hat das mit dem Thema Organisierung zu tun?

Hirn, Herz, Hodensack?

Eine kleine Umfrage ergibt: Die Redaktionsmitglieder sahen die arranca! nicht als das Organ von FelS. Dazu sei sie zu unabhängig, laufe zu sehr nebenher. Doch wenn nicht das, sondern nur ein Organ der Organisation (irgendwie angebunden ist sie ja) – welches ist sie dann? Keine*r der Befragten nennt das umgangssprachliche (laute) Organ, das dem Einschüchtern von Feinden, Herbeirufen von Freunden, Ausstoßen von Schmerzens- und Freudenschreien dient. Zwar wird die arranca! überwiegend mit Kopf, Hirn, Augen verglichen. Auch etwas vom Herzen ist dabei. Aber das Verhältnis zum restlichen Organismus erinnert nicht gerade an eine vorwärts! schreiende Kommandozentrale. Es erscheint fremdelnd, antagonistisch, angespannt. Eine Befragte meint, die arranca! nervt manchmal ein bisschen, piekst und irritiert die anderen Teile. Ein anderer sieht sie als knurrenden Magen. Hunger, Wut, schlechte Ernährung?

Der zugehörige Organismus ist das Gegenteil eines klassisch humanoiden Körpers – dezentral organisiert: „Wie ein Wurm“, meint eine Befragte, „der hängt zusammen, kann aber auch reißen und trotzdem weiter leben“. Das Organ arranca! ist keinesfalls ein Sprechapparat für das Ganze, sondern bildet höchstens den inneren Zwist seiner Teile ab. Blockupy und seine Botschaften sind eindeutiger zuzuordnen und weiter zu hören als ihr differenziertes, vielstimmiges Gemurmel.

Dieser Körper ist eine Hydra mit Augen und Tastorganen an unterschiedlichen Stellen, der mit mehreren Mündern und Zungen zugleich, manchmal durcheinander und oft mit sich selbst spricht, für Außenstehende vielleicht schwer zu deuten, dafür aber mit der Mutanten-Schönheit einer (zumindest potentiell) wild wuchernden, exzessiven Kommunikation und Gestalt. Ist er überhaupt einem menschlichen Körper vergleichbar, der anderen Organismen gegenübersteht und, ausgestattet mit verschiedenen Organen, mit oder gegen sie agiert? Oder sollten wir ihn uns in einem umfassenderen Gefüge vorstellen: ein monströses, symbiotisches oder parasitäres Etwas, dessen Aufgabe es wäre, andere Organe zu stören, Immun- oder Hemmstoffe zu bilden? Aber hey: wer ist denn hier die Krebszelle?

Mauern und Breschen

Zurück zu Lenin, zu Macht, Mittel und Zweck. Bei ihm kommt das Organ vor allem als Werkzeug vor. In Was tun? (1902) vergleicht er die Parteizeitung mit Richtschnur und Baugerüst: das Gerüst „zeigt die Umrisse des Gebäudes an, erleichtert den Verkehr zwischen den einzelnen Bauarbeitern, hilft ihnen, die Arbeit zu verteilen und die durch organisierte Arbeit erzielten gemeinsamen Resultate zu überblicken“. Das leuchtet ein und begründet auch, warum so ein Zentralorgan singulär sein muss. Eine allen gemeinsame und sichtbare Linie soll es Gruppen und Individuen ermöglichen, ihr verstreutes Herumstümpern zu überwinden. Denn „das ist ja eben das Malheur, daß wir noch keine erfahrenen und gut aufeinander eingearbeiteten Maurer haben, daß die Steine oft ganz nutzlos gelegt werden, daß sie nicht nach einer gemeinsamen Schnur gelegt werden, sondern so verstreut, daß der Feind sie einfach fortbläst, als wären es nicht Steine, sondern Sandkörner“.

Das klassisch autonome Werkzeug wäre dagegen wohl etwas wie ein Brecheisen oder eine Sprühdose, von Einzelnen oder kleinen Gruppen einsetzbar, mehr zum Ab- oder Aufbruch als zum Aufbau geeignet, eher in Hütten oder Zelten, als auf Großbaustellen anzutreffen. Also ein Bataillon von Maurer*innen werden und eine eigene Welt errichten … – oder desertieren und in den Rissen einer fremden Welt zelten, um sie zu sprengen? Zwischen diesen Welten, über den Gegensatz hinweg versucht sich die postautonome Linke aufzustellen. Mit welchen tools? Die arranca-Mitglieder sehen ihre Zeitung – anders als ihr Ruf vermuten lässt – nicht als Spaltholz oder Flaschenpost, sondern liegen von Lenins Linie gar nicht so weit entfernt. Da ist ein Synthesizer, mit dem die steife Organisation vielleicht in Schwingung und seine Teile in einen kollektiven Rhythmus versetzt werden könnten. Da ist, weniger hedo, dafür schön handfest, ein Leim-Vergleich. Einer der Befragten nennt gar Hammer und Sichel. Allerdings liegt der Verdacht nahe, dass hier Zeitnot mit Ironie kompensiert wird.

Welcome to Machine

„Nieder mit den parteilosen Literaten! […] Die literarische Tätigkeit muß zu einem Teil der allgemeinen proletarischen Sache, zu einem 'Rädchen und Schräubchen' des einen einheitlichen, großen sozialdemokratischen Mechanismus werden“ (Lenin, Parteiorganisation und Parteiliteratur).

Wer stolpert nicht über einen solchen Vergleich? Wird so nicht das Denken, die Freiheit des Menschen zu einem schnöden Maschinenteil herabgewürdigt, abgetötet, bürokratisiert? Doch halten wir unsere antrainierten humanistischen Reflexe für einen Moment zurück! Lenins Schräubchen-Aufsatz erschien Ende 1905, nachdem der Zar, als Reaktion auf massive revolutionäre Unruhen, die Einführung bürgerlicher Freiheitsrechte und eine gesetzgebende Versammlung von Volksvertreter*innen versprochen hatte. In diesem Moment – an der Schwelle zu so etwas wie einer modernen bürgerlichen Gesellschaft – fragt er uns: wie ist es möglich, Schreiben, Lesen, Denken so zu organisieren, dass sie sich nicht nur gegen die „traditionelle“ Repression durch Polizei und staatliche Zensur richten, sondern auch gegen die kapitalistische Vereinzelung und sanfter daherkommende, ideologische Unterdrückungsmechanismen, wie Konkurrenz, Karrierismus, Abhängigkeit von Verleger*innen etc. Widerstand leisten? 

Das Organ kollektiviert, vollzieht den Schritt von der allzu menschlichen Empörung hin zu den Dingen, von den Meinungen zu den Wahrheiten, die Wirkungen sind. Das mag beängstigen. Denn es verlässt den Kreis bürgerlicher Selbstverständlichkeiten. Doch auch das bürgerliche Subjekt ist Teil einer Maschine! Mit dem Unterschied, dass es umso geschmierter funktioniert, wie es diese Tatsache verdrängt und vergisst. Auch die Bildzeitung, die Apothekenrundschau oder das Fachblatt für Ornithologie sind Organe. Noch in der Wüste füllst du den Magen eines Schakals. Moralische Empörung ist selbstgenügsam. Das Gegenteil ist Organisierung – nicht, weil wir alle so abgeklärt wären, sondern weil ein Organ sich über seine Wechselwirkungen mit anderen Organen, seine Funktion in ihrem Zusammenhang, den Nutzen für die gemeinsame Sache definiert und legitimiert. Eine politisch organisierte Zeitung ist nicht selbst schon der Zweck. Sie verschreibt sich nicht dem reinen Denken, sondern dient als Medium der Orientierung, Kommunikation und Koordination dem kollektiven Handeln.

Die Frage ist also: Nicht ob, sondern wie und als welches Organ, Werkzeug, Maschinenteil wollen wir funktionieren? Die Verdinglichung mit ihren eigenen Waffen schlagen, statt ihrer menschlichen Maske auf den Leim zu gehen! Und zwar nicht als Philosoph*in, sondern als Ingenieur*in, Mechaniker*in, Hacker*in des Denkens. Vielleicht braucht es heute mehr leninsche Linientreue und mehr antiautoritären Zorn, mehr Gift & Galle-Gazette und mehr Vereinsblatt mit Kopf, Herz und Aktivist*in des Monats, statt dazwischen in einer vermeintlichen Komfort-Zone herumzuschunkeln. Nicht wie sich der Einfluss der Organisation auf die Zeitung gering halten lässt, ist zu fragen, sondern wie wir die gegenseitigen Einflüsse maximieren und multiplizieren, das Schreiben und die Redaktionsarbeit dynamischer, effektiver, experimenteller mit dem Kollektiv verschalten können. Wollen wir nicht ein Schräubchen sein? So ein Schräubchen ist mehr als nützlich. Es arbeitet oder schreibt auch besser, weil politisch, vielleicht sogar fröhlicher, da es sich auch, aber nicht nur um sich selber dreht.

 

Erschienen in arranca! #48

Inhalt abgleichen